Rußland. (Januar 16.—Februar 9.) 611
16. Januar. Ein kaiserliches Manifest entbindet den Groß-
fürsten Michael Alexandrowitsch von den ihm durch das Manifest
vom 14. August 1904 für den Fall des Ablebens des Kaisers vor
Eintritt der Volljährigkeit des Thronfolgers auferlegten Regenten-
pflichten.
Der Ukas setzt über die Person und die Vermögensangelegenheiten des
Großfürsten Michael Alexandrowitsch eine Vormundschaft unter der Ober-
leitung des Kaisers ein. Die Verwaltung des Barvermögens und der
Immobilien des Großfürsten geht auf die Apanagenverwaltung über.
21. Januar. Die drohende Haltung des Botschafters in Kon-
stantinopel (s. Türkei) wird desavoniert.
3. Februar. Auf Veranlassung des Ministers des Auswärtigen
Ssasonow werden alle panslawistischen Bankette in Petersburg, Mos-
kau und Kiew polizeilich verboten.
3. Februar. (Finnland.) Zum Präsidenten des Landtages
wird mit 80 Stimmen gegen 68, die auf den früheren Präsidenten
Srinhufoud fielen, der Sozialdemokrat Tokoi gewählt.
4. Februar. (Zarskoje Sselo.) Der Zar nimmt ein vom
Prinzen zu Hohenlohe überbrachtes Handschreiben des Kaisers von
Osterreich entgegen.
6. Februar. Der Reichsrat hat mit 84 gegen 66 Stimmen
den Initiativantrag der Duma, Frauen zur Advokatur zuzulassen,
abgelehnt.
6. Februar. Es wird bekannt, daß die Regierung den Gewalt-
habern in der Mongolei ein Darlehen von 2 Millionen Rubel
bewilligt und zum Teil ausbezahlt hat.
7. Februar. (Duma.) Mit 134 gegen 127 Stimmen wird
die Dringlichkeit der an den Kriegsminister wegen der am 30. De-
zember vorigen Jahres und am 16. Januar dieses Jahres in der
Pulverfabrik zu Ochta erfolgten Explosionen gerichteten Inter-
pellationen bejaht.
9. Februar. (Petersburg.) Panslawistenbankett.
Unter dem Vorsitz des Generals Skugarewski wird von über zwei-
hundert Teilnehmern beschlossen, an den Kaiser ein Ergebenheitstelegramm
zu richten und den Herrschern der Balkanstaaten telegraphisch zu ihrem
Kampfe Erfolg zu wünschen. Der Panfslawistenführer Graf Bobrinski er-
klärte, daß die „Hohenlohe-Woche“ ihm Besorgnisse einflöße. Schließlich
stellte sich das Bankett in der von ihm angenommenen Resolution das
Zeugnis aus, daß es die Anschauungen des größten Teils der russischen
Gesellschaft ohne Unterschied der Partei widerspiegle, und erklärte, daß
Rußland sich in seiner Balkanpolitik weder von unfruchtbarem Pazifizismus
noch von dem Bestreben leiten lassen dürfe, die Lösung historischer Probleme
eltwa aus Furcht vor revolutionären Unruhen hinauszuschieben.
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