Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

622 Kukland. (November 11.—22.) 
möglich ist, sich mit der Feststellung des Urteils, daß der Mord in der 
Saizewschen Fabrik begangen sei, zufrieden zu geben; der Verbrecher muß 
gefunden werden.“ „Rußkija Wjedomosti“ schreiben: „Die Verurteilung 
Beilis' wäre eine Schmach für die Nation gewesen; das Gewissen des Volkes 
fühlt sich infolge der Einsicht der Geschworenen erleichtert.“ „Utro Rossüt“: 
„Das Urteil bedeutet einen Schlag für die Fanatiker, deren politische Sonder- 
interessen die Justiz auf den Weg dieses Ritualmordprozesses geführt haben.“ 
Die rechtsstehende „Semschtschina“ führt aus: „Wenn Beilis unschuldig ist, 
dann müssen die Tscheberjak und die anderen Zeugen gefaßt werden, die 
zweifellos mit dem Mord in Verbindung stehen. Das Verfahren müsse 
fortgesetzt, vor allem aber die Polizei von Kiew fortgejagt werden, die sich 
als ein Haupthindernis für den Erfolg des gerichtlichen Vorgehens er- 
wiesen habe.“ 
11. November. (Duma.) Der Antrag der Kadetten, an die 
Regierung die Anfrage zu richten, ob die Zeitungsnachricht wahr 
sei, daß der Oberprokurator des Heiligen Synods eine Reihe Fragen, 
die die orthodoxe Kirche betreffen, aus der allgemeinen Reichsgesetz- 
gebung ausschalten und nur dem Gutachten des Synods überlassen 
wolle, wurde mit 219 gegen 50 Stimmen angenommen. 
11. November. (Duma.) Nach langer Diskussion wird ein 
Antrag der Kadetten, eine Kommission zu bilden, die einen Gesetz- 
entwurf über bürgerliche Gleichberechtigung der Juden ausarbeiten 
soll, mit 152 gegen 92 Stimmen abgelehnt. 
17. November. Die Abberufung des russischen Botschafters in 
Wien v. Giers und seine gleichzeitige Ernennung zum Senator 
wurde amtlich bekanntgegeben. 
18. November. Der bisherige russische Gesandte in Bukarest, 
Schebeko, wird Botschafter in Wien. 
19. November. (Duma.) Die Verkehrskommission hat einen 
Gesetzentwurf angenommen, der den Bau einer Eisenbahn von 
Werchne Udinsk nach Kiachta vorsieht. 
22. November. Die in Peking am 5. November unterzeichnete 
Deklaration mit China über die äußere Mongolei wird veröffentlicht: 
1. Rußland erkennt die Suzeränität Chinas über die äußere Mongolei 
an. 2. China erkennt die Autonomie der äußeren Mongolei an. 3. Indem 
es das ausschließliche Recht der äußeren Mongolei anerkennt, für die innere 
Verwaltung der autonomen Mongolei Sorge zu tragen und alle dieses 
Land berührenden Handels= und industriellen Fragen zu regeln, verpflichtet 
sich China, in diese Angelegenheiten nicht einzugreifen. Folglich werden 
sowohl Zivil= wie Militärbeamte jede Kolonisation der Mongolei unter- 
lassen. Jedoch wird vereinbart, daß ein von der chinesischen Regierung 
entsandter Mürdenträger mit dem nötigen Unterpersonal und einer Eskorte 
in Urga soll residieren können. Außerdem wird die chinesische Regierung, 
soweit nötig, in gewissen Orten der äußeren Mongolei, die in den durch 
Artikel 5 dieses Uebereinkommens vorgesehenen Verhandlungen bestimmt 
werden sollen, Agenten zum Schutze der Interessen ihrer Untertanen halten
	        
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