Balgarien. (Juni 22. —Juli 4.) 649
wurde ohne Wissen der bulgarischen Regierung gefaßt, und wenn das Auf-
geben des adriatischen Küstengebiets für Serbien ein von den Großmächten
auferlegtes Opfer bildet, so bilden die Abtretung Silistrias, das Aufgeben
Tschataldschas und der Marmaraküste auch ein solches für Bulgarien. Was
die territorialen Ansprüche Montenegros betrifft, so erklärt Bulgarien dies-
bezüglich kein Interesse zu besitzen. Da die Serben behaupten, daß die
Fortsetzung des Krieges nach dem Scheitern der Londoner Verhandlungen
ausschließlich im Interesse Bulgariens erfolgt sei, so muß bemerkt werden,
daß der Abbruch der Verhandlungen und die Wiederaufnahme der Feind-
seligkeiten im Interesse und im gemeinsamen Einvernehmen der Verbündeten
beschlossen wurden, ohne daß Serbien die geringste Einwendung erhoben
hätte. Wenn die bulgarische Regierung nach langem und peinlichem Zögern
es akzeptiert hat, Anfechtungen bezüglich eines Teiles Mazedoniens zu-
zulassen und dessen Schicksal dem Schiedsspruch des Zaren anzuvertrauen,
so geschah dies, um den Leiden ihrer Volksgenossen ein Ende zu bereiten,
und weil sie Vertrauen hegte zu dem hohen Gerechtigkeitssinn des Schieds-
richters, der einen bedeutenden Teil der bestrittenen Zone dem Volke zu-
sprechen würde, das die Mehrheit der Bevölkerung dieser ganzen Zone
bildet, und zu der Solidarität des verbündeten Serbiens, von dem sie mit
Fug und Recht hoffte, daß es die Freiheit und die nationalen Rechte der
Bulgaren in dem Teile, der ihm durch den Schiedssprüch zugesprochen
werden würde, achten werde.
22. Juni. Der russische Gesandte wurde vom König in Audienz
empfangen. Wie verlautet, hat er dringend geraten, die bulgarische
Regierung möge noch einige Tage abwarten, weil Aussicht vorhanden
sei, daß Serbien inzwischen zur Anerkennung des Vertrages und
zur Annahme des Schiedsgerichts auf Grund des Vertrages be-
wogen werden würde.
23. Juni. Der „Mir“ sagt zur Demission des serbischen
Ministerpräsidenten, diese ziele anscheinend auf eine Verschleppung
der Entscheidung ab. Eine solche wäre jedoch angesichts der höchst
gespannten Lage unmöglich. Serbien müsse sogleich zwischen der
Anerkennung des Vertrages und dem Kriege wählen, denn heute
seien nicht mehr Tage, sondern Stunden kostbar.
4. Juli. Nach Mitteilung der Regierung sind in den Häfen
Kavala und Dedeagatsch, sowie in der Bucht Porto Lagos Unter-
seeminen gelegt. Die Einfahrt ist seit dem 28. Juni verboten.
4. Juli. Die Regierung ließ in Athen in energischer Weise
gegen das in der Welt noch nicht dagewesene Vorgehen gegen die
bulgarische Garnison in Saloniki protestieren, die in brutaler Weise
durch die Griechen entwaffnet worden sei, ohne daß der bulgarische
Kommandant vorher benachrichtigt worden sei und ohne daß man
den Truppen die Möglichkeit gelassen habe, um Instruktionen zu bitten.
Z Es sei eine allgemein bekannte Tatsache, daß die bulgarischen Truppen,
die nach dem Fall der Stadt in Saloniki einzogen, sich dort auf Befehl
des Generalstabs aufhielten, und daß zwischen den beiden Verbündeten volle