Serbien. (Juni 23. — Juli 1. 667
für die Folgen ab, die eine Nichtbeachtung dieser Stimmung nach sich
ziehen könnte, und reichte seine Demission ein, der sich Justizminister
Politschewussch und Volkswirtschaftsminister Kostu Stojanowitsch anschlossen.
Der auf diese Weise herbeigeführte prinzipielle Gegensatz innerhalb des
Kabinetts veranlaßte den Ministerpräsidenten Paschitsch, dem Könige die
Demission der Gesamtregierung zu unterbreiten. Der König berief am
22. Juni den Präsidenten der Skupschtina Nikolitsch sowie den jungradikalen
Parteiführer Liuba Dawidowitsch. Nikolitsch soll beantragt haben, daß an-
esichts der ernsten Lage die Skupschtina, die gegenwärtig vertagt ist, kon-
saiert werden solle. Dawidowitsch habe der Ansicht Ausdruck gegeben, daß
das neue Kabinett aus der altradikalen Partei gebildet werden müsse, da
sämtliche oppositionellen Parteien die Regierung bei der Vertretung der
vitalen Interessen des Staates werktätig unterstützen würden.
23. Juni. Aus der Note, die die Regierung über eine Re-
vision des Bündnisvertrages an die bulgarische Regierung ge-
richtet hat.
Die neue Basis, auf der das Kondominium aufgeteilt werden müßte,
muß durch ein Uebereinkommen aller Verbündeten festgestellt werden. Diese
neue Basis müßte Serbien einen Gebietszuwachs über den Teil des strit-
tigen Gebietes hinaus, der ihm nach dem Vertrage sowieso zusteht, zu-
sichern unter folgenden Gesichtspunkten: 1. einen Gebietsteil als Entschä-
digung für alle die Vertragspflichten, welche Bulgarien hätte erfüllen sollen,
aber nicht erfüllt hat; 2. einen Gebietsteil als Entschädigung für alle Opfer,
die Serbien für Bulgarien übernommen hat, ohne durch den Vertrag dazu
verpflichtet zu sein; 3. einen Gebietsteil als Entschädigung für das Gebiet,
welches Bulgarien im Osten mehr erhalten hat; 4. einen Gebietsteil als
Entschädigung für das ihm vertragsmäßig unstreitig zustehende Gebiet im
Hrhen, und das Küstengebiet am Adriatischen Meer, das Serbien ver-
oren hat.
24. Juni. Aufsage des Bündnisses an Bulgarien.
Die offiziöse „Samouprava“ kommt auf die Streitfrage zurück, ob
eine Vereinbarung zwischen dem serbischen und dem bulgarischen General-
stab Bulgarien von einer vertraglichen Verpflichtung, hunderttausend Kom-
battanten auf den Wardarkriegsschauplatz zu entsenden, habe entbinden
können, und stellte fest, es hätten drei Besprechungen zwischen den beiden
Generalstäben nach dem Abschlusse des Vertrages stattgefunden. Bei der
ersten sei keine Aenderung der Verpflichtungen erwähnt worden. Bei der
zweiten hätten die Bulgaren eine Herabsetzung der Truppenzahl verlangt,
die sie an den Wardar zu schicken hätten; die Serben hätten ihre Zustim-
mung hierzu verweigert, und man sei ohne Ergebnis auseinandergegangen.
Bei der dritten Begegnung, die nach der Mobilmachung stattgefunden habe,
hätten die Bulgaren kategorisch erklärt, es sei ihnen unmöglich, hundert-
tausend Kombattanten nach Mazedonien zu schicken. Serbien hätte sich vor
die Wahl gestellt gesehen, entweder von dem Bündnisse zurückzutreten, oder
die ganze Aufgabe und das ganze Risiko auf jenem Kriegeschauplatze auf
seine Schultern zu nehmen. Serbien habe anstatt einhundertfünfzigtausend
vierhunderttausend Mann mobil gemacht. Es bestreite nicht die verbindliche
Kast des Vertrages, wie Bulgarien behaupte, wenn es auch eine Revision
verlange.
1. Juli. (Skupschtina.) Ein Vertrauensvotum für die Politik
des Ministerpräsidenten Paschitsch wird mit 82 gegen 69 Stimmen