Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

464 Die Serreichisch-ungerische Mesarchie. (Juni 1.—24.) 
durch den Ersatz der abgebrauchten Schiffe, teils durch den Bau von Dread- 
noughts und damit zusammenhängenden sonstigen Schiffseinheiten. Hierfür 
werden mehr als 300 Millionen erforderlich sein, die allerdings durch An- 
leihen aufzubringen sind und nicht auf eine größere Reihe von Jahren 
verteilt werden können. Bei rechtzeitiger Vorsorge für den jetzigen Fehl- 
betrag werde das Budget genügend elastisch sein, um künftigen Militär- 
auslagen ohne Einführung neuer Steuern gerecht werden zu können. 
1. Juni. (Ungarn.) Wahlen zum neuen Reichstag. 
Es kommt in einigen Städten zu Unruhen. Das Resultat des ersten 
Tages ist für die Regierung überraschend günstig. Von 313 gewählten 
Abgeordneten gehören 201 der Regierungspartei, 14 der Andrassyfraktion, 
39 der Kossuthpartei, 26 der Justhpartei und 7 der klerikalen Volkspartei 
an. Die übrigen verteilen sich auf die sonstigen Fraktionen. 
3. Juni. (Cisleithanien.) Abgeordnetenhaus. 
Der Gesetzentwurf über das Verbot der Frauennachtarbeit in in- 
dustriellen Unternehmungen gemäß der Berner Konvention wird angenommen. 
5. Juni. (Wien.) Der von der bosnischen Reise zurück- 
gekehrte Kaiser empfängt den türkischen Thronfolger in besonderer 
Audienz. 
10. Juni. (Wien.) Rosegger-Fonds. 
Der Präsident des deutschen Schulvereins, Dr. Groß, macht bekannt, 
daß der Rosegger-Fonds fast 2½ Millionen Kronen erreicht habe. 
15. Juni. (Cisleithanien.) Baron Bienerth erklärt, daß 
er vom deutschen Nationalverbande unbedingte Gefolgschaft in der 
Frage der italienischen Rechtsfakultät fordern müsse, widrigenfalls 
er die Konsequenzen ziehe. 
15. Juni. (Bosnien.) Attentat. 
Als der Landeschef General Baron Vareschanin von der Eröffnung 
des Landtages in den Konak zurückkehrte, feuerte auf der Kaiserbrücke ein 
Attentäter gegen ihn fünf Revolverschüsse ab, ohne ihn zu treffen. Mit 
dem sechsten Schuß entleibte sich der Attentäter selbst. Er wird als der 
24 jährige Student der Rechte Bogdan Zerajitsch von der Agramer Universität, 
aus der Herzegowina gebürtig, rekognosziert. Als Mitglied des „Slovenski 
Ing“" schrieb er für das anarchistische Blatt „Borba“ („Der Kampf“). 
15. Juni. (Cisleithanien.) Abgeordnetenhaus. 
In namentlicher Abstimmung wird das Kapitel „Dispositionsfonds“ 
mit 239 gegen 212 Stimmen angenommen. Die anderen Kapitel, Hofstaat, 
Kabinettskanzlei, Reichsrat, Reichsgericht und Verwaltungsgerichtshof wurden 
mit überwiegender Mehrheit angenommen. 
24. Juni. (Lemberg.) Feier der Schlacht von Tannenberg. 
Im Gemeinderate kommt es wegen der Beschränkung des 500jährigen 
Jubiläums der Schlacht bei Tannenberg auf eine große kirchliche Feier zu 
stürmischen Demonstrationen, besonders der Galerien. Die Polen wollen diese 
von ihnen sogenannte Grunwald-Feier (nach dem Oertchen Grünfelde, bei 
dem sich das Lager des Ordensheeres 1410 befand) zu einer Haupt- und 
Staatsaktion ausgestalten.
	        
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