Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

678 Monlesegre. (Mai 9.—September 24.) 
den allgemeinen Frieden zu bringen, ein Opfer, das einmütig von allen 
Seiten, sogar unter Androhung des Verlustes der Unabhängigkeit Monte- 
negros, von ihm verlangt wurde. Bei seinem Entschlusse ließ sich der König 
auch durch Rücksichten auf seine Verbündeten leiten, indem er befürchtete, 
daß, wenn er bei seinem Widerstande beharrte, er ihre mit so vielen Opfern 
erkauften Siege gefährden könnte. In der vergangenen Nacht hat er durch 
Vermittlung des englischen Gesandten an Sir Edward Grey eine Depesche 
gesandt, welche in Kürze folgendes besagt: Meine Regierung hat in ihrer 
Note vom 30. April die Gründe ihres Verhaltens in der Skutarifrage dar- 
gelegt. Dieses Verhalten war durch die unerschütterlichen Grundsätze der 
Gerechtigkeit geleitet. Noch einmal verkünde ich mit meinem Volke meine 
durch die Geschichte und durch die Eroberung geheiligten Rechte. Meine 
Würde und die Würde meines Volkes gestatten mir nicht, isolierten Aktionen 
nachzugeben, und deshalb lege ich das Schicksal Skutaris in die Hände 
Europas. 
Das Ministerium Martinowitsch demissioniert. 
9. Mai. Neues Ministerium. 
Vorsitz und Kriegsministerium: General Serdar Janko Wukotitsch. 
Ministerium des Innern: Goinitsch, Justiz: Liuba Bakitsch, Auswärtiges: 
Peter Plamenatz, früherer montenegrinischer Geschäftsträger in Konstanti- 
nopel, Unterricht und Kultus: Mirko Miuschkovitsch, Finanzen und öffent- 
liche Arbeiten: Rechtsanwalt Risto Perovitsch. 
9. Mai. Aus der Ansprache des Königs an die in seinem 
Palais versammelten Mitglieder der Skupschtina: 
Das letzte Bollwerk des türkischen Reiches war Skutari, das gleich- 
falls fiel. Aber die Mächte erhoben dagegen Einspruch, daß es bei Monte- 
negro bleibe. Rußland riet uns zur Unterwerfung unter den Willen Europas, 
der verlangle, daß Skutari den Mächten übergeben werde. Montenegro 
konnte sich dieser Forderung zunächst nicht fügen. Infolgedessen ergriff 
Europa Maßnahmen gegen Montenegro. Serbien wurde mit Zwangs- 
maßregeln bedroht für den Fall, daß es seine Montenegro zu Hilfe ge- 
sandten Truppen nicht zurückziehe. Allein geblieben, mußte Montenegro 
im Interesse des Weltfriedens nachgeben. So erwies es auch dem Serben- 
tum einen Dienst. Rußland, Serbien, in der letzten Zeit auch Griechen- 
land, empfahlen eindringlich, nachzugeben. 
14. Mai. Nach der Räumung Skutaris und seiner Besetzung 
durch eine Landungsabteilung des internationalen Geschwaders wird 
die internationale Blockade um 2 Uhr nachmittags aufgehoben. 
30. Mai. Unterzeichnung des Londoner Friedensvertrages. 
30. Juni. (Cetinje.) Abreise des bulgarischen Gesandten 
wegen Kriegszustandes. 
Der Schutz der bulgarischen Interessen wird dem russischen Geschäfts- 
träger übertragen. 
24. September. Beginn der Grenzgefechte mit den Albanesen. 
Ein offiziöses Communiqué besagt: Die Regierung verfolgt die Er- 
eignisse und Wirren in Albanien mit ununterbrochener Aufmerksamkeit und 
ist hauptsächlich bemüht, die Grenze gegen die unablässigen Einfälle der 
Albanier zu schützen. Die Truppen, die bestimmt sind, die Grenzgarnisonen 
abzulösen und gegenüber den Drohungen der Albanier zu verstärken, sind
	        
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