60 Das VBeutsche Reich und seine einzelnen Glieder. Februat 8. 9.)
Herrn Reichskanzlers und des Herrn Staatssekretärs des Innern zu der
Frage der Bekämpfung der Sozialdemokratie gemacht und die ich gestern
durch Verlesung des Grenogranms wiederholt und mit einem Zusatz ver-
sehen habe, sind dahin aufgefaßt worden, daß ich dem Herrn Reichskanzler
und dem Herrn Staatssekretär des Innern Mangel an persönlichem Mut
vorgeworfen hätte. In meiner Absicht hat das nicht gelegen. Beiden
Herren habe ich unter dem Ausdrucke meines Bedauerns über das ent-
standene Mißverständnis eine entsprechende Erklärung abgegeben und stelle
das hiermit auch gegenüber der Oeffentlichkeit fest.
8. Februar. Der Geheime Regierungsrat Dr. Gustav v. Brüning,
der Generaldirektor der Höchster Farbwerke, f in St. Moritz, 47 Jahrealt.
8. Februar. (Darmstadt.) Geh. Reg. Wilhelm Haas, General=
anwalt des Reichsverbandes der landwirtschaftlichen Genossenschaften,
früherer Präsident der Zweiten Kammer, zuletzt Mitglied der Ersten
Kammer, 1. 74 Jahre alt.
9. Februar. (Berlin.) Bei der Jahrhundertfeier der Erhebung
des preußischen Volkes zum Freiheitskrieg an der Berliner Universität
hielt der Kaiser folgende Ansprache an die Studenten:
„Kommilitonen! Ich möchte am Schluß dieser erhebenden Feier
euch noch ein kurzes Begleitwort mitgeben. Ich habe in der alten Preußen-
stadt Königsberg die Ostpreußen darauf hingewiesen, daß der Kern der
großen erhebenden Zeit darin zu suchen gewesen sei, daß das preußische
Volk seine sittliche Lebensanschauung, begründet auf der Religion,
wiedergefunden hat, begründet auf der Religion die, wie wir wissen, das
Verhältnis des Menschen zu Gott bedeutet, mit anderen Worten, den Glauben
an seinen Gott wiedergefunden hat. Das heutige Geschlecht, welches in
diesem Jahrhundert lebt, welches leicht dahin führt, hauptsächlich das, was
man sieht oder beweisen oder mit Händen greifen kann, zu glauben, das
dagegen für Transzendentales geringere Fähigkeiten zeigt und dem das
Wort Religion Schwierigkeiten bereitet, dieses Geschlecht bedarf wohl eines
Hinweises, wie es zu dem alten Glauben seiner Väter kommen kann. Der
heutige Tag, der Tag von Königsberg und alle die Feste, die wir im
Laufe des Jahres noch feiern werden in Erinnerung an die große Zeit
der Erhebung des Vaterlandes, geben uns dazu die Möglichkeit. Denken
wir doch daran, daß kurz nach dem Hintritt des großen Königs das Preußen-
volk diesen Glauben verloren hatte. Ausländisches Wesen griff um sich.
Und als die große Belastungsprobe des Jahres 1806 kam, brachen die
Stützen, und ein Zusammenbruch fand statt, wie ihn die Welt kaum je ge-
sehen hatte, und der die Herzen verzagen ließ. War das Menschentat? Das
war Gottesgericht. Und ebenso hinterher! Eine Wendung in der Welt-
geschichte! Es ist schon ein wunderbares Ding um die Wiedergeburt eines
Menschen, aber die Wiedergeburt einer ganzen Nation, das ist so gewaltig,
daß es wert ist, im Herzen behalten und nicht vergessen zu werden. Das
war auch nicht der Menschen Tat, sondern das war Gottes Tat! So erhob
sich, im Glauben an Gott, ein unterdrücktes, zerstückeltes Volk — ein Wunder,
wie es noch nicht dagewesen — und warf alles vor sich her. Das war
auch nicht Tat der Menschen, das war Gottes Tat! Nun, Kommilitonen,
ich denke, ihr versteht Mich schon. Wenn wir nur an das Greifbare denken,
uns nur an das Greifbare halten, um glauben zu können, so haben wir
in den Tatsachen der Vergangenheit, in den Geschichtstatsachen, die sicht-