Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

766 Mebersicht ãber die pelitische Gutwiclung des Jahres 1913. 
fürchtete, beugte sich vor dem Willen Europas. Durch eine Ein- 
berufung von Notabeln, denen die Autorität eines in früheren 
Jahrhunderten zur Entscheidung der wichtigsten nationalen Fragen 
gehörten „Rates der Altesten“ beigelegt wurde, erleichterte sich das 
Ministerium die Unterwerfung unter den Willen Europas (22. Januar). 
Aber tags darauf setzte der Staatsstreich Enver Beys alles wieder 
in Frage. Die neue Regierung bot unter Betonung der Unentbehr- 
lichkeit der im östlichen Teil Adrianopels gelegenen religiösen Denk- 
mäler den westlich der Maritza gelegenen Teil der Stadt zur Ver- 
mehrung des den verbündeten Balkanmächten zu überlassenden Land- 
gebietes an. Da die Friedenskonferenz damit aber nicht zufrieden 
war, so wurde der Waffenstillstand am 30. Januar gekündigt und 
die Wiedereröffnung der Feindseligkeiten vom 3. Februar 
an in Aussicht gestellt. Somit hatte sich die Tätigkeit der Bot- 
schafterreunion zunächst als ein Fehlschlag erwiesen; sie vertagte 
sich am 3. Februar auf unbestimmte Zeit. 
Der zweite Balkankrieg dauerte vom 3. Februar bis zum 
:30. Mai. Er brachte am 6. März den Fall von Janina, am 
26. März die Erstürmung von Adrianopel und am 23. April 
die Üübergabe von Skutari. Die Kriegslage wäre aber viel ver- 
worrener geworden, wenn Rumänien seine Drohung, die noch un- 
erledigten Ansprüche auf Kompensationen durch feindselige Unter- 
nehmungen gegen Bulgarien zu realifieren, in die Tat umgesetzt 
hätte. In der Behandlung der zwischen Rumänien und Bulgarien 
vorhandenen Zwistigkeiten fand die wieder zusammengetretene Bot- 
schafterreunion eine neue Aufgabe, nachdem die rumänische Regierung 
das Vermittelungsanerbieten der Großmächte angenommen hatte. 
Da sich aber in London die Neigung, das Interesse Rumäniens an 
der Aufrechterhaltung des Gleichgewichts auf der Balkanhalbinsel 
anzuerkennen, gleich von vornherein deutlich bemerkbar machte, so 
entzog sich Bulgarien der dort drohenden Gefahr und ersuchte am 
28. Februar die russische Regierung, die Verhandlungen über den 
bulgarisch-rumänischen Streit in Petersburg führen zu lassen. Bei 
der russischen Regierung überwog aber das Interesse, das Zusam- 
menarbeiten mit den anderen europäischen Großmächten nicht durch 
die Berufung auf panflawistische Bestrebungen, die sich durch Bankette
	        
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