Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

798 Nebersicht über die politische Eutwichlung des Johres 1913. 
großen Umfang an und richtete sich bejonders gegen die Mitglieder 
der Regierung persönlich, weil trotz der Versprechungen des Minister- 
präsidenten Asquith die dem Parlament vorgelegte Wahlrechtsreform- 
bill, die das Frauenstimmrecht vorsah, am 27. Januar ohne ersicht- 
lichen Grund vor der Beratung zurückgezogen wurde. Das Ober- 
haus lehnte die Homerulebill am 30. Januar mit großer Majorität 
ab, obwohl ihre Erhebung zum Gesetze unabwendbar scheinen mußte. 
Ebenso verfuhr es mit der Bill über die Trennung von Kirche und 
Staat in Wales am 14. Februar, die ebenfalls kraft der verstärkten 
Autorität des Unterhauses durchgeführt werden sollte. Aber schon 
im Frühjahr zeigte sich, daß die Stimmung im Lande der unionisti- 
schen Opposition und der am 9. Januar auf ein neues Programm 
geeinigten konservativen Partei günstiger wurde. Auch im Unter- 
haus wurde die erneuerte Frauenwahlrechtsvorlage am 6. Mai ab- 
gelehnt. Als nun die Regierung durch die zweite Annahme der 
Homerulevorlage in dritter Lesung am 7. Juli in den Stand gesetzt 
wurde, den Widerspruch des Oberhauses auf sich beruhen zu lassen, 
schuf der Antrag Lord Lansdownes, diese so einschneidende Ver- 
fassungsänderung noch einmal dem Urteil der Wählerschaft zu unter- 
breiten, eine neue Lage. Die Unionisten Nordirlands bafierten darauf 
ihre Zuversicht, eine wohlvorbereitete Revolution zu wagen, sobald 
das Homerulegesetz zur Durchführung gelangte. Am 24. September 
verabredeten sie in Belfast für diesen Fall die Bildung einer pro- 
visorischen Regierung. Wie zu erwarten war, setzten die Nationa- 
listen diesem Vorhaben auch ihrerseits energische Drohungen ent- 
gegen, und sie hatten den Vorteil, daß die durch blutige Streik- 
unruhen in Dublin erregte Arbeiterschaft bereit war, ihre Fäuste 
der gesetzlichen Selbständigwerdung der grünen Insel zur Verfügung 
zu stellen. Die irischen Unionisten begannen daher im November 
ein Freiwilligenheer für Ulster zu organifieren, so daß die Gefahr 
eines Bürgerkrieges drohte. Natürlich trafen die Nationalisten Ir- 
lands ihre Gegenmaßregeln. Im Dezember gab die Regierung die 
schwere Gefahr für den inneren Frieden zu und verfügte die Be- 
schlagnahme des Kriegsmaterials, das sich die Ulsterleute von der 
Hauptinsel zu verschaffen suchten. Zu diesen für die Zukunft be- 
denklichen Symptomen kam noch der einzelne Mitglieder des Kabi-
	        
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