## NVetsse Reich und seine einzeluen Glieder. (Februar 16.—19.) 85
Zug erblicken können. (Zuruf des Abg. Dr. Junck.) Bei Ihnen nicht, Herr
Dr. Junck, und auch nicht bei mir. Hier müssen auf jeden Fall Maßregeln
ergriffen werden, oder die gemeingefährlichen Irren müssen für alle Zeit
unschädlich gemacht werden. Das Deutsch unserer Gesetzgebung empfinden
wir täglich in seiner minderen Genießbarkeit. Es ist erfreulich, daß man
jest die Gesetze dem Allgemeinen Sprachverein unterbreitet. Als Preß-
menschen interessiert mich unser Urheberrecht. Es ist im allgemeinen nicht
schlecht; denn wie könnte es anders sein, da an der Vaterschaft der Abg.
Dr. Müller-Meiningen und meine Wenigkeit gearbeitet haben. Als es sich
um den Parsifalschutz handelte, ging man über meine Anregungen hinweg.
Was ich sagte, ist aber eingelroffen Sehr viele Aufführungen des Werkes
daben allerdings meine Befürchtung nicht bestätigt; aber ich muß wieder-
holen, daß das Urheberrecht dem Schöpfer eines Werkes die Möglichkeit
gibt, daß das Werk nicht so zurechtgemacht wird, daß es seinen ursprüng-
lichen Ideen nicht entspricht. Der Abg. Belzer hat dann auch auf die so-
genannte Nachdrucksjägerei hingewiesen, unter der alle Zeitungen leiden.
VWir haben damals im Urheberrecht unterschieden zwischen solchen Arbeiten,
die unbedingt gegen Nachdruck geschützt werden, und zwischen vermischten
Nachrichten, die nachdrucksfrei sind. Dazwischen liegt nun eine Reihe von
Ausarbeitungen, die nur dann geschützt sind, wenn der Schutzvermerk an
die Spitze gestellt ist. Ich selbst gönne den Schriftstellern jeden Verdienst,
da ihre Lage nicht rosig ist. Meine Zeitung läßt sich nicht erst verklagen
und bezahlt, wenn sie sich für verpflichtet hält. Aber die Sache geht doch
manchmal etwas zu weit. Es werden Gerichtsurteile umgearbeitet, wobei
die eigene Arbeit meistens ganz klein ist. Sie geraten aus Korrespondenzen
in Zeitungen und werden dann weiter abgedruckt. Dann kommt der Schrift-
steller und verlangt Honorar für Nachdruck. Das wurde seinerzeit nicht be-
absichtigt. Unter diesen Zuständen leidet am meisten die kleine Provinz-
presse, für die ich heute hier eintrete.“ Der Redner spricht dann von der
sensationellen Berichterstattung über Gerichtsverhandlungen. „Gegen die
Oeffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen haben wir nichts. Aber es ist doch
eine contradictio in adjecto, wenn man die Oeffentlichkeit ausschließt und
die Presse zuläßt. Da handelt man doch nur im Interesse der Sensations-
presse. Anständige Blätter haben nichts dagegen, wenn die Oeffentlichkeit
überall ausgeschlossen wird. Der Kampf gegen Schmutz in Wort und Bild
muß mit allem Nachdruck geführt werden. Da wir alle in der Hauptsache
einig sind, so hoffe ich, daß wir uns doch zusammenfinden. Wir sind uns
alle einig, den wirklichen Schmutz soweit als möglich von der heran-
wachsenden Jugend fernzuhalten.“ Der Redner äußert sich besonders scharf
über den Ansichtskartenvertrieb, der angeblich im Interesse der Kunst be-
tieben wird, in Wirklichkeit aber nur der Schamlosigkeit dient. „Die
Entwicklung der Schamhaftigkeit ist eine der Kultur parallel laufende Ent-
wicklung. Die Rückkehr zur Schamlosigkeit ist die Rückkehr zur Unkultur.
Das muß hier einmal nachdrücklich gesagt werden. Ich will keine falsche
Scham, keine Prüderie. Diese liegt dem deutschen Volke fern, aber das
Schamgefühl ist ein besonderes Kennzeichen des deutschen Volkes, das schon
von dem Römer Tacitus seinem absterbenden, dem Verfall entgegengehenden
Lolke zur Nachahmung empfohlen ist. Die Gesetze tun gewiß nicht alles,
das werdende Geschlecht muß erzogen werden zur deutschen Auffassung,
zur religiösen Auffassung dieser Dinge, zur religiösen Auffassung sage ich,
nicht bloß zur christlichen, denn ich weiß, daß auch anständige Juden in
diesem Kampf und in dieser Forderung einer religiösen Erziehung auf
unserer Seite stehen. Das gereicht mir zur besonderen Freude. Für uns
is hier das lebendige Christentum maßgebend. Ich will keine Muckerei.