Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Erste Hälfte. (55a)

Bas Nesische Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 18.) 89 
Zweck verwandt werden, ohne daß es des mehrfach vorgeschlagenen, übri- 
gens aber wegen seiner Dehnbarkeit minder geeigneten Zusatzes: „die durch 
Ueberreizung der Phantasic die gesunde Entwicklung der Jugend zu ge- 
jährden geeignet sind“, bedurft hätte. Die Einordnung der vorgeschlagenen 
Bestimmung in die Gewerbeordnung gewährleistet zugleich, daß durch sie 
nur die gebotene Beschränkung in der Ausübung des Gewerbes erfolgt, 
daß daher die Freiheit der Kunst und Wissenschaft unter dem Gesichtspunkt 
einer etwaigen Gefährdung der Sittlichkeit der Jugend, z. B. beim Aus- 
bang von Gemälden in Ausstellungen, bei der Aufstellung figürlicher Dar- 
stellungen auf öffentlichen Plätzen oder bei ihrer Anbringung an Gebäuden 
auf Grund dieses Gesetzentwurfs nicht angetastet werden kann. 
18. Februar. (Deutscher Reichstag.) Die Kommission des 
Reichstags zur Beratung der Initiativanträge betr. die NRegelung 
militärischer Machtbefugnisse (s. S. 52f ff.) tritt zusammen. 
Im Auftrage des Reichskanzlers gibt ein Vertreter der Regierung 
folgende Erklärung ab: „Der von dem Abg. Ablaß und Genossen vorgeschlagene 
Gesetzentwurf beschränkt sich nicht auf das nach Art. 4 Nr. 14 der Reichs- 
verfassung der Reichsgesetzgebung unterliegende Gebiet des Militärwesens, 
sondern greift, insofern er die Grenzen der Militär= und Polizeigewalt 
näher umschreiben will, in Rechtsgebiete über, die der Zuständigkeit des 
Reichs entzogen sind. Seine Verabschiedung würde nur im Wege einer 
Aenderung der Reichsverfassung, also nur unter Beachtung der besonderen 
Form des Art. 78 der Reichsverfassung erfolgen können. Die Zustimmung 
der verbündeten Regierungen zu einer solchen Verfassungsänderung kann 
nicht in Aussicht gestellt werden. Gemäß der Stellung, die die verbündeten 
Regierungen bei Initiativanträgen stets einnehmen, werden sie sich an den 
Beratungen sachlich nicht weiter beleiligen. Der Herr Reichskanzler hat 
aber das Reichsjustizamt beauftragt, zu den Kommissionsberatungen Ver- 
treter zu entsenden, damit erforderlichenfalls über die rechtlichen Verhält- 
nisse Auskunft erteilt werden kann.“ Nach einer Geschäftsordnungsdebatte 
über die Frage, ob angesichts dieser Stellungnahme der Regierung eine 
weitere Debatte überhaupt bezw. für den Augenblick am Platze sei, wird 
ein Antrag eingebracht und angenommen, der Vorlegung von Material 
von seiten der Regierung fordert, insbesondere Vorlegung der in den Einzel- 
staaten geltenden Vorschriften, sowie Mitteilung darüber, welche Schritte 
von seiten der Regierung geschehen oder angebahnt seien zur Vereinheit- 
lichung der Vorschriften in den Einzelstaaten. Gegen den Antrag stimmen 
die Konservativen, da sie die Zuständigkeit des Reichstages für die zur 
Erörterung stehenden Fragen bestreiten. 
Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ bemerkt unterm 
19. Februar zur Haltung der Regierung: „In konservativen Blättern wird 
die Erklärung, die der Reichskanzler in der „Zabernkommission“ hat ab- 
geben lassen, dahin gedeutet, daß die Regierung mit dem Reichstage über 
Fragen der Kommandogewalt zu diskutieren gedenke. Das ist ein tatsäch- 
licher Irrtum. Die Frage, in welchen Fällen das Militär bei inneren 
Unruhen einzuschreiten hat, ist in den einzelnen Bundesstaaten durch Ver- 
sassung. Gesetz und allgemeine Rechtsgrundsätze geregelt. Auf der Basis 
dieser Rechtslage erläßt die Kommandogewalt ihre Instruktionen. Für eine 
reichsrechtliche Bestimmung der Grenzen zwischen der Militär= und Polizei- 
gewalt, die ein Teil des Reichstages wünscht, kann, wie in der Kommission 
erklärt worden ist, die Zustimmung des Bundesrats nicht in Aussicht ge- 
stellt werden. Inwiefern in der Bereitwilligkeit der Regierung, der Kom-
	        
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