Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Erste Hälfte. (55a)

94 HDas Deuische Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 19.—21.) 
nur 10. Deutschland baut jedes Jahr zwei Linienschiffe. Will England 
das Verhältnis 16 zu 10 einhalten, so soll es drei Stück bauen. Dann 
brauchen wir keine besondern Verträge. (Sehr richtigl) Legt Rußland sein 
Schwergewicht in die Ostsee, so ist das mindestens unerfreulich. Eine gut 
geleitete deutsche auswärtige Politik muß das verhindern. Bei Rüstungs- 
lieferungen kommen 50, ja sogar bis zu 80 Prozent auf die Arbeits- 
löhne. Sollen wir diesen Verdienst den deutschen Arbeitern entziehen? 
Nach alter Erfahrung wird der Schwache die Beute des Stärkern. Selbst- 
verständlich hütet sich jeder, in die Rolle des Schwachen zu kommen. Ge- 
fährliche Manöver müssen gemacht werden. Nur soll alles dabei wegbleiben, 
was nicht auch im Ernstfall geschehen muß. Das gilt für die Torpedo- 
boote, aber auch für die Luftschiffe. Das Unglück des „L 2“ kann nicht 
wohl auf das Prinzip des Luftschiffes zurückzuführen sein. Auch die Helgo- 
länder Katastrophe wurde nicht durch Menschen verschuldet. Sammlungen 
für die Hinterbliebenen der Opfer sind allerdings ganz unstatthaft. Für 
sie hat das Reich zu sorgen. Wir erwarten die Bereitstellung entsprechender 
Mittel im Etat. Nicht das Material der Schiffe, sondern der Geist der 
Besatzung bestimmt den Wert der Flotte. Unzufriedene gibt es natürlich 
unter 55 000 Mannschaften. Das Gegenteil wäre nicht normal. (Heiterkeit.) 
Schon in einer Fraktion von 110 Mann beklagt sich mancher über harte 
Behandlung und wünscht eine kulantere. (Große Heiterkeit.) Der Marine- 
offizier hat es nicht leicht. Das Landheer genießt dagegen das reinste Be- 
hagen, ob auch mancher Leutnant den Kopf darüber schüttelt. (Große Heiter- 
keit.) Notwendig ist eine bessere Fürsorge für die Kapitulanten und Unter- 
offiziere. Unsere Marine hat dem deutschen Namen stets Ehre gemacht. 
Ueberall machen unsere Marineleute einen vorzüglichen Eindruck. Ich be- 
daure, daß Herr Noske nicht in der Rüstungskommission ist. Es hätte ihm 
nichts geschadet. Hat er sich gefürchtet, ohne seinen schwarzlockigen Be- 
gleiter zu kommen? (Heiterkeit.) Der Staatssekretär hat in der Kommission 
erklärt, er werde sich überlegen, ob er noch weiterhin solche Firmen zu- 
lassen solle, die ihm regelmäßig und ständig pensionierte Offiziere als Ver- 
treter zuschicken. (Hört, hört!) Wenn die Industrie weiß, daß die Marine- 
verwaltung sich nicht beeinflussen läßt, so wird das eine Wohltat für sie 
sein. (Sehr richtig!) Süddeutschland muß noch mehr herangezogen werden. 
Nur solche Firmen sollten berücksichtigt werden, die ihren Arbeitern volle 
bürgerliche Freiheit gewähren. Ich erinnere da an die Firma Gebr. Stumm 
in Neunkirchen, wo das Wahlrecht der Arbeiter geradezu illusorisch gemacht 
worden ist.“ Der Redner erinnert dann an Veröffentlichungen des amerika- 
nischen Admirals Dewey über die Blockade von Manila, in denen sich An- 
griffe gegen deutsche Offiziere befinden sollen. 
(Fortsetzung der Beratung am 20. Februar.) Abg. Bassermann (Nl.):: 
„Auch in diesem Jahre hat die Budgetkommission und auch die gestrigen 
Redner haben sich mit der auswärtigen Politik befaßt. Es sind die Fragen 
der Abrüstung und Feierjahre eingehend behandelt worden. WMessentlich 
Neues haben die Debatten nicht zutage gefördert. Der Staatssekretär hat 
ein Verhältnis von 16:10 als annehmbar und das Feierjahr für uns als 
unausführbar bezeichnet. Wir halten an unserem Programm fest, wollen 
es nicht stören lassen. Solche Rüstungsabkommen sind geeignet, eine Reihe 
von Kontroversen aufzuwerfen. Wollte man eine Prämie auf die Ver- 
schlechterung unserer Beziehungen zu England setzen, so brauchte man nur 
diese Kontroverse weiter verfolgen. Der „Temps“ hat diese Vorschläge als 
Chimäre erklärt. Sir Edward Grey hat sehr richtig gesagt, daß das Flotten- 
programm eine innere Angelegenheit Deutschlands ist. Der Abg. Noske 
wies auf Mitteilungen des Auswärtigen Amtes hin, daß eine gewisse Ent- 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.