Des Verische Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 19.—21.) 99
im Rahmen des Flottengesetzes bewegen soll, daß auch nicht die Absicht
besteht, bei den großen Kreuzern über den Rahmen des Flottengesetzes
hinauszugehen. Der Geist, der unsere Flotte beseelt, ist der großen Auf-
gaben und Pflichten, die der Flotte obliegen, durchaus würdig. Ich bitte
aber den Staatssekretär, jeden Ansatz, der irgendwie geeignet ist, den
kameradschaftlichen Geist in der Flotte durch Standesdünkel zu infizieren,
im Keime zu ersticken und sein besonderes Augenmerk auf das Ingenieur-
korps zu lenken. Den Gegensatz, den gestern der Abg. Erzberger zwischen
den preußischen Landoffizieren und den deutschen Marineoffizieren konstruiert
hat, kann ich nicht besonders glücklich finden. Allerdings muß ich zugeben,
daß sich bei den Marineoffizieren ein gewisser freier und staatsbürgerlicher
Sinn zeigt, der nicht etwa auf Gegensätze zwischen Preußen und Deutsch-
land zurückzuführen ist, sondern auf die wohltätige, erfrischende Wirkung
von Meer und Wind. Es wäre durchaus verfehlt, wollte man generell das
Eintreten pensionierter Offiziere in das kaufmännische und industrielle Leben
erschweren. Die pensionierten Offiziere bringen vielfach hervorragende Gaben
mit. Ich muß jedoch hervorheben, daß es durchaus eine unerfreuliche Er-
scheinung ist, wenn eine Firma, die einen derartigen Offizier beschäftigt,
bei der Marineverwaltung besonders gut angeschrieben ist. Ich setze das
Vertrauen in die Marineverwaltung, daß sie gegen derartige Versuche einen
festen Riegel vorschiebt. Auch ich begrüße es mit Freuden, daß bei Ver-
gebung von Arbeiten für die Marine auch süddeutsche Firmen berücksichtigt
werden. Aber man darf dabei nicht übersehen, daß es in der Marine eine
Reihe von Erfordernissen gibt, die leichter und besser in den Marinestädten
besorgt werden können. Wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, daß
mit Einführung der doppelten Buchführung auch sofort der kaufmännische
Geist in die Marine einzieht. Der reine kaufmännische Betrieb ist in unseren
Staatsanstalten undenkbar. Denn gerade das Haupterfordernis des kauf-
männischen Geistes, der Erwerbssinn, hat ja bei diesen Anstalten aus-
zuscheiden. Wir freuen uns, daß das Zentrum in der Frage des Marine-
attachäs in Buenos Aires diesmal umgefallen ist, aber auf die richtige
Seite. Für die Tüchtigkeit unserer Marine ist ein tüchtiger Unteroffizier-
stand von großem Vorteil. Hoffentlich werden durch die kommende Vor-
lage die berechtigten Wünsche der Unteroffiziere und Deckoffiziere erfüllt.
voffentlich findet auch der Staatssekretär in seinem umfangreichen Betriebe
noch viele Stellen für Unteroffiziere mit dem Zivilversorgungsschein. Den
warmen Worten des Nachrufes der Vorredner für die Opfer der letzten
Marinekatastrophen schließe ich mich im Namen meiner politischen Freunde
an. Auch wir wollen unter keinen Umständen auf die Nachtübungen in
der Flotte verzichten. Eine gewisse Lichtseite des Unfalles des Torpedo-
bootes ist die erfreuliche Ueberzeugung, daß ein solcher Unfall immerhin
ein untrüglicher Beweis eines seemännischen Wagemuts ist. Der Unfall
des „L 1“ ist durch höhere Gewalt eingetreten. Da müssen wir uns still
und demütig bescheiden. Das Luftschiff „L 2“ ist aber infolge Konstruk-
tionsfehler zugrunde gegangen. Ein gewisser Trost liegt aber darin, daß
wir erwarten können, daß derartige Katastrophen in Zukunft vermieden
werden. Ich kann dem Abg. Nehbel nicht beipflichten, der es nicht für an-
gängig fand, beim Reichsmarineamt die auswärtige Politik zu erörtern.
Wir müssen uns aber klar werden, zu welchem Zwecke denn unsere Schiffe
gebaut werden. Wir müssen uns doch alle darüber einig sein, daß die
Unterseeboote und die großen Kreuzer sich nicht gegen den inneren Feind
verwenden lassen. Es kann sich nur um den auswärtigen Gegner handeln.
Es entspricht dem Charakter des englischen Volkes, wenn man ganz offen
darüber spricht. Das bessere Verhältnis mit England begrüße auch ich.
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