106 N Deische Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 21.)
Gesetzentwurfes in diesem Hause und die Haltung, die die Regierung dabei
eingenommen hatte, nicht für zulässig erachten zu können. Der Entwurf ist
daher mit möglichster Beschleunigung im Bundesrat verhandelt worden
und konnte, wie den Herren bekannt ist, am 8. August als Gesetz verkündet
werden. Selbstredend war zugleich Vorsorge getroffen worden, etwaigen
Unzuträglichkeiten, die sich hätten ergeben können, auf dem Gnadenwege
abzuhelfen. Mir war klar, daß ein solcher unregelmäßiger Zustand auf die
Dauer nicht zu ertragen war. Ich habe deshalb eine weitergehende Durch-
arbeitung des Strafgesetzbuchs angeordnet und besonders in bezug auf die
in Frage kommenden §§ 96, 97, 98 und 110 a des Strafgesetzbuches. Das
Ergebnis dieser Arbeit liegt Ihnen in dem heute zur Debatte gestellten
Gesetzentwurf vor. Die Heeresverwaltung hat sich nicht leichten Herzens
entschlossen, jetzt noch einmal an den Strafbestimmungen zu rühren, die
sich gegen die Vergehen gegen die militärische Unterordnung richten. Ex-
perimente in dieser Beziehung sind stets gefährlich und würden in unserer
gegenwärtigen Lage doppelt gefährlich sein. Auch spricht die Tatsache, daß
unsere Strafbestimmungen im allgemeinen milder sind als die anderer großer
Heere, obwohl bei diesen zum Teil eine sehr viel größere Dienstzeit, also
auch, wenn ich mich so ausdrücken darf, größere Disziplinierungsmöglichkeit
besteht als bei uns, nicht gerade für die Dringlichkeit weiterer Milderung.
Bei näherem Zusehen erkennt man, daß es sich bei dem Regierungsvorschlag
hier gar nicht um ein Experiment handelt. Wir dürfen das beste Vertrauen
haben, daß bei dem in unserer Armee und in allen ihren Gliedern lebenden
Verständnis für die Unentbehrlichkeit der Aufrechterhaltung der Disziplin
grobe Verstöße noch nach wie vor die gebührende Ahndung finden werden.
Anderseits ist es nötig, daß in wirklich minder schweren Fällen dem Richter
die Möglichkeit gelassen wird, Milderung eintreten zu lassen. Voraussetzung
ist dabei allerdings, daß unter ein gewisses Mindestmaß dabei nicht her-
untergegangen wird. Denn an der Notwendigkeit empfindlicher Strafen für
jedes Vergehen gegen die Disziplin, ganz gleich, ob ihr Milderungsgründe
zur Seite stehen, mußte unbedingt festgehalten werden, auch gegen etwaige
sentimentale Regungen der Richter. Denn eine große Armee kann man nicht
mit Sentimentalität, sondern nur mit ernster, unbeugsamer Gerechtigkeit
in Ordnung halten. Aehnliche Erwägungen sind für die weiteren Vorschläge
der Heeresverwaltung maßgebend gewesen. Sie beziehen sich auf den § 66,
die Entfernung betreffend, auf den § 70, Fahnenflucht, auf den § 78, Ver-
leitung dazu, der ja in Verbindung mit der Fahnenflucht steht, dann auf
§ 95, Gehorsamsverweigerung, und auf § 138, den Diebstahl unter Kame-
raden betreffend. Fälle, in denen nicht aus schlechter Absicht, nicht bös-
willig, wo in minder schweren Fällen gegen diese Paragraphen verstoßen
wird, sind in der Praxis nicht selten. Ich darf mir vielleicht vorbehalten,
nähere Milteilungen darüber in einer etwaigen Kommissionsberatung des
Gesetzes zu machen. Die gegenwärtigen Gesetzesbestimmungen reichten oder
reichen nicht aus, um dem Gewünschten genügend Rechnung zu tragen.
Nun hat man zwar versucht, die Härten auf dem Gnadenwege auch in
diesen Fällen auszugleichen. Aber die augenblicklichen gesetzlichen Bestim-
mungen werden doch oft als Härte empfunden, die naturgemäß in diesen
Fällen in erster Linie die Sünder aus dem Mannschaftsstande treffen.
Diese würden, falls der Gesetzentwurf in die Wirklichkeit treten würde, in
erster Linie durch ihn Erleichterung erhalten. Aus meinen Darlegungen
werden die Herren ersehen haben, daß die Heeresverwaltung an die, wie
ich wiederholen will, in sachlicher Uebereinstimmung mit dem Reichstags-
beschluß vom 30. Juni geschaffene Lage ohne jedes Vorurteil herangetreten
ist und sich durchaus nicht gescheut hat, über ihn hinaus in der Richtung