Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Erste Hälfte. (55a)

Des Denisqhe Reich und seine einzelnen Glieder. (März 2.—4.) 111 
2.—3. März. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Erste 
Beratung der Novelle zum Kommunalabgabengesetz. 
Der Gesetzentwurf läßt die Grundlagen des bestehenden Gesetzes un- 
berührt und beabsichtigt nur die Benützung der bisherigen Erfahrungen, 
um Ueberlastungen vorzubeugen, Bevorzugungen einzelner Gruppen von 
Versonen aufzuheben und das Verhältnis der Gemeinden zum Staat in 
verichiedenen Punkten neu zu regeln. Der Gesetzentwurf wird einer Kom- 
mission von 28 Mitgliedern überwiesen. 
—4. März. (Hamburg.) Besuch des Reichskanglers. 
Bei einem vom Senate gegebenen Festessen antwortet der Reichs- 
konzler auf eine Rede des regierenden Bürgermeisters Dr. Predöhl mit 
folgenden Worten: „Euer Magnifizenz, meine Herren! . MWie aus dem 
alten Hamburg das neue wurde, wie es sich emporgeschwungen hat in selbst- 
eigener Kraft und wie es doch zu vollstem Aufblühen erst gelangen konnte, 
seitdem uns das Reich erstanden ist, das haben Euer Magnifizenz uns 
soeben in beredten Worten geschildert; aber ebenso weiß das Reich, was 
ihm Hamburg ist. Der gewaltige Hafen, die Werftanlagen, die Flotte des 
Friedens auf der Elbe und draußen am Meer, der jahraus, jahrein mächtige 
Schife zuwachsen, das sich glanzvoll weitende Stadtbild, der großartige 
Zug und Schwung, die kraftvoll zusammengesaßte Energie ihrer Arbeit, 
wer das sieht und fühlt, der empfindet es; hier almet das Deutsche Reich, 
dier atmet das Reich durch Hamburgs Lungen die salzige, frische Luft der 
weiten Welt, ohne die es nicht mehr leben kann. Das meeresfrohe Ham- 
durg, so nannte Ihr unvergeßlicher Bürgermeister Burchard seine Vater- 
stadt. Den hellen Blick hinausgerichtet über die völkerverbindende See 
überall hin, wohin freudiger Unternehmungsgeist dentschen Fleiß und deutsche 
nultur zu tragen trachtet, so entsenden Hamburgs Bäter ihre Söhne Jahr 
für Jahr hinaus in die weite Fremde, wie die kernigen Völker des alten 
Italiens einen heiligen Frühling, das ver sacrum, zum Kampf hinaus- 
sandten. Aber einen friedlichen Kampf gilt es hier. Der hamburgische 
Kaufherr sucht nach dem Worte des Dichters in Venedig und nicht in 
Karthago sein Vorbild. Im Kampf des Lebens, im Wettbewerb der Kräfte 
lernen Ihre jungen Hamburger zu arbeiten, zu schauen, zu vergleichen, 
zu verhandeln. So ergänzt sich von Geschlecht zu Geschlecht Ihre werk- 
latige, unternehmungsfrohe Bürgerschaft, so erzeugt sie sich immer aufs 
neue die führenden Männer, deren Hamburger Ruhm deutscher Ruhm ist. 
Kleines klein und Großes groß! Dieser Imperativ, den wir Deutsche nie- 
mals genug beherzigen können, scheint mir die Devise hamburgischen 
Schaffens zu sein, wo nach weit gesteckten, aber klar und fest erfaßten 
Zielen zu arbeiten ist, nicht nach Luftgebilden begehrlicher Phantasie. Über— 
all und allemal leiht Hamburg dem Reich freudig und willig Herz und 
Hand, sichert sich den überzeugten Dank des Reiches. Die Stätten der Kunst, 
des Wissens und des Studiums, an die Sie mich heute führten, zeigen, wie 
Hamburg aufs neue ein glänzender Mittelpunkt bürgerlicher Geisteskultur 
geworden ist, wie einst in den klassischen Tagen, da Lessing und Klopstock 
Vurger dieser Stadt waren und da ein deutsches Nationaltheater in Ham- 
burg jeinen Sitz aufgeschlagen hatte. Morgen werde ich das Schiff sehen 
durfen, das den für uns Deutsche stolzesten Namen trägt. Die Flagge des 
Imperator“ auf hoher See, sie kündet hamburgischen Geist und deutsche 
Arbeit unter kaiserlichem Schutz im friedlichen Wettstreit der Nationen. 
Dankbar für die Fülle dieser Bilder frohen und schaffenden Lebens, erhebe 
ich mein Glas mit dem Rufe: Der hohe Senat und die freie und Hansa- 
stadt Hamburg hoch, hoch, hoch!“
	        
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