120 Pas Beeutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 8. 9.)
Die Eingeborenen sind keine direkten Trinker, die trinken nur bei festlichen
Gelegenheiten, aber dann mehr, als es ästhetisch erwünscht ist. (Heiterkeit.)
Ich kann auch mit Genugtuung feststellen, daß der Alkoholgenuß in Afrika
auch unter den Weißen in erheblichem Rückgange begriffen ist. Das ist zu
begrüßen, weil der Alkoholgenuß in den Tropen viel gefährlicher ist als
bei uns. Fast alle Redner, auch Herr v. Boehlendorff, haben eine größere
Rechtssicherheit für die Ansiedler gewünscht, daß gegen die Verfügung von
Gebührenerhebungen der Verwaltungsorgane Rechtsmittel geschaffen werden.
Wir glaubten früher, daß nach den preußischen Bestimmungen ein Rechts-
weg zulässig wäre; die Richter haben aber diesen Standpunkt verworfen.
Um den Ansiedlern entgegenzukommen, hat nunmehr die Regierung eine
Kommission eingesetzt als letzte Instanz, in der hauptsächlich Laien sitzen.
Diese Kommission scheint sehr zur Zufriedenheit der Ansiedler zu arbeiten.
Die Frage wird aber weiter geprüft werden. Zum Schluß bitte ich noch,
die Debatten über die Eingeborenen und die Arbeiterfrage doch für unsere
deutschen Landsleute in den Kolonien etwas versöhnender zu führen. Die
Uebertreibungen sind ja von einigen Vorrednern auf das berechtigte Maß
zurückgeführt worden, und wenn auch die immer noch recht herbe Kritik
des Reichstages an den Mißständen, die gelegentlich vorgekommen sind und
die ich nicht leugne, auch nur den Vorteil haben wird, daß die Schuldigen
in den Schutzgebieten sich getroffen fühlen, so werde ich es doch für recht
halten, ihr entgegenzutreten. Ich habe nicht bloß für die Eingeborenen zu
sorgen, sondern auch für unsere deutschen Landsleute. (Lebhafter Beifall.)
Das ist ebenso meine Pflicht; deshalb müssen sie mir ein paar versöhnende
Worte gestatten. Ich wundere mich, daß gerade in diesem Reichstage die
Stimmung derartig ist nach meinen Erklärungen über meine Auffassung
der Eingeborenenfrage. Ich hoffe, daß Sie mir in den nächsten Jahren
mit Ruhe zuhören werden, wenn ich alles das Gute vortragen werde, was
Deutschland unsern Deutschen in den Kolonien zu danken hat.“ (Lebhafter,
wiederholter Beifall.)
Nach einer Rede des Abg. Henkel (Sd.) wird die Beratung auf
den 10. März vertagt. An diesem Tage beteiligen sich an der Debatte
Schwarze--Lippstadt (Z.), Paasche (Nl.), Noske (Sd.) und Erzberger
(Z.). Der Abg. Paasche warnt im Hinblick auf die sozialdemokratische
Kritik vor allem davor, unsere sozialpolitischen Begriffe auf die Neger-
bevölkerung zu übertragen und die Kultur, die der Kapitalismus geschaffen
habe, zu unterschätzen.
8. März. Beginn einer sogenannten „Roten Woche“, einer
von der sozialdemokratischen Partei veranstalteten Reihe von Kund-
gebungen, die dazu bestimmt sind, die Agitation zu beleben und
die Fortschritte der Partei in ganz Deutschland den Regierungen
deutlich zu machen. Die „Rote Woche“ wurde am 8. März in
Berlin durch nicht weniger als 50 Versammlungen eingeleitet. Die
Redner beschäftigten sich vorzugsweise mit Polizeiverboten, z. B.
mit dem Verbot, Plakate für das Frauenstimmrecht anzubringen,
und mit der Verurteilung der Genossin Nosa Luremburg. Wesent-
liche Ruhestörungen kamen auch im weiteren Verlauf der Woche
nicht vor.
9. März. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Bei der