Das Derutsthe Reich und seine einzelnen Glieder. März 13.) 127
„Ist dem Herrn Reichskanzler bekannt, daß es zwischen dem Leutnant
La Valette-St. George vom 98. Infanterieregiment in Metz und dem von
ihm in seiner Familienehre schwer gekränkten Leutnant Haage vom selben
Regiment zu einer Herausforderung zum Zweikampf gekommen ist unter
Bediungungen des Ehrenrats, der auf diese Herausforderung zum zwei-
kampf entschieden hat, er sei außerstande, einen Ausgleich vorzuschlagen,
daß dieser Entscheidung des Ehrenrats gemäß der Zweikampf am 26. Fe-
bruar dieses Jahres in der Nähe von Metz stattgefunden hat, und daß
hierbei der beleidigte Leutnant Haage von dem Leutnant La Valette-St. George
erschossen worden ist? Hält der Herr Reichskanzler die Behandlung des Falles
durch den Ehrenrat mit Gesetz und Recht für vereinbar? Welche Maß-
nahmen gedenkt der Herr Reichskanzler zu ergreifen, um dem Zweikampf
im Heer wirksam entgegenzutreten?“
Zur Begründung der Interpellation führt Abg. Gröber (3.) aus:
„Der Tarbestand für den traurigen Offizierszweikampf in Metz, der uns
beute beschäftigt, ist folgender: Den Anlaß zum Zweikampf gaben Be-
ziehungen des Leutnants La Valette mit der Frau des Leutnants Daage,
welche am 24. Februar angeknüpft worden sind. Ueber die Art dieser Be-
ziehungen lauten die Darstellungen der Beteiligten ganz verschieden. Nach
der einen handelt es sich um eine schwere Verletzung der Familienehre des
Leutnants Haage. Nach der anderen Darlegung würde es sich um ein Vor-
kommnis handeln, das zwar immerhin bedenklich genug ist, aber doch nicht
den schweren Charakter aufzuweisen hätte, der ihm nach der anderen Dar-
stellung zukommen müßte. Die bevorstehenden Kriegsgerichtsverhandlungen
konnen ja die Einzelheiten des Anlasses genau feststellen. Für den Reichs-
lag ist es aber nicht notwendig, die kriegsgerichtlichen Feststellungen ab-
zuwarten, weil diese für unsere Beurteilung des Falles ohne Entscheidung
sind. So viel sieht fest, daß Leutnant Haage persönlich sich aufs schwerste
gekränkt erachtete. Er hat am Aschermittwoch, mit Pistolen bewaffnet, den
Leutnant La Valette in dessen Wohnung aufgesucht in der Absicht, seinen
Gegner niederzuschießen. Leutnant La Valette hat sofort von dem Vorgange
seinem Obersten Meldung erstattet. Es ist dann von Leutnant OLaage an
Leutnant La Valette eine Herausforderung zum Zweikampf mit Pistolen
unter so schweren Bedingungen gestellt worden, daß daraus die absolute
Adsicht der Tötung des Gegners hervorgeht. Es wurde verlangt Fortsetzung
des Kampfes bis zur Kampfunfähigkeit, aber mindestens fünfmaliger augel-
wechsel auf 15 Schritt Distanz auf gezogene Pistolen und Visier. Am
Nachmittag desselben Tages trat sofort das Ehrengericht zusammen, das
mehrere Stunden verhandelte und zu der Entscheidung gelangte, daß es
nach Lage der Sache ausgeschlossen sei, einen Ausgleich vorzuschlagen. Die
von Leutnant Haage vorgeschlagenen Bedingungen sind gemildert worden.
Es wurde dreimaliger Kugelwechsel auf 25 Schritt mit glatten Pistolen
ohne Visier bei schnellem Kommando festgestellt. Am Morgen des folgenden
Tages fand in der Nähe von Metz der Zweikampf in Anwesenheit eines
Vertreters des Ehrenrates statt. Leutnant Haage fiel und war wenige Mi-
nuten später tot. Er hinterläßt eine Witwe und ein ein Jahr altes Kind.
Leutnant La Valette sieht seiner Verurteilung durch das Rriegsgericht ent-
gegen. Das ist der Tatbestand. Es fragt sich, ob der Kommandeur und
der Ehrenrat ihre Schuldigkeit getan haben. Sie hätten das Verbrechen
verhüten müssen. Ebenso wie eine Zivilbehörde das gegenüber ihren Be-
amten getan haben würde. Sie wäre zur Verhaftung der kampflustigen
Herren geschritten. Was haben die Militärbehörden getan, um das
Verbrechen des Zweikampfes, das ihnen bekannt war, zu verhindern? Der
Ehrenrat hatte die Verpflichtung, einen gütlichen Ausgleich herbeizuführen,