128 Das Dentisqhe Reich und seine einzelnen Glieder. (März 13.)
den Tatbestand aufzuklären, da dieser nicht klar zutage lag. Vielleicht
konnte dies das Verhalten des Leutnants La Valette in einem milderen
Lichte erscheinen und einen gütlichen Ausgleich zustande kommen lassen.
Welche Ermittelungen haben Kommandeur und Ehrenrat anstellen lassen?
Hat der Ehrenrat über die Vorgänge Zeugen vernommen und sie einander
gegenübergestellt? Die Ermittelungen hätten fortgesetzt werden müssen, um
durch Verzögerung der Entscheidung des Ehrenrats um einen Tag wert-
volle Zeit zu gewinnen, damit sich der erregte Leutnant Haage beruhigen
konnte. Es soll üblich sein, einen solchen Handel in 24 Stunden auszutragen.
In diesem Falle ist schon 10 Stunden nach dem Beschluß des Ehrenrats
der erste Schuß gefallen. Handelte es sich um eine schwere Kränkung der
Familienehre, dann mußte verlangt werden, daß der Zweikampf bis zum
Spruch des Ehrenrats verschoben wurde. Der Schuldige mußte aus dem
Offizierskorps entfernt werden, damit wäre der Zweikampf hinfällig gewesen.
Es muß in solchen Fällen an den Kaiser berichtet werden. Tatsächlich haben
beide Duellanten sich gegen die bestehenden Vorschriften vergangen, weil
der Spruch des Ehrenrats noch nicht ergangen war. Der Kaiser hat selbst
gesagt, einen Offizier, der die Familienehre eines Kameraden frevelhaft
verletzt, dulde er nicht mehr im Heere. Es hat keinen Sinn, ein Duell
stattfinden zu lassen und dann erst ehrengerichtlich festzustellen, daß der
eine Duellant der Ehre eines Offiziers nicht würdig ist. Kommandeur und
Ehrenrat hätten hier mindestens verlangen sollen, daß das Duell bis zur
Entscheidung des Ehrenrates verschoben werde. Man wende nicht ein, daß
beide solche Macht nicht besitzen, daß davon nichts in der Kabinettsorder
steht. Der Kommandeur ist als Vorgesetzter in der Lage, Befehle zu geben.
Dieser Befehl darf vor einem Zweikampf nicht haltmachen. Ich frage,
ob der Kommandeur und Ehrenrat an die Beteiligten die Aufforderung
gerichtet haben, den Zweikampf bis zur Entscheidung des Ehrenrats zu
verschieben. Ist denn die ganze Stellung des Ehrenrates, wie sie sich nach
der Kabinettsorder gestaltet hat, gesetzlich zulässig oder nicht? „Ungeeignet
zum Ausgleich“ lautet die Formel, mit der der Ehrenrat seine Tätigkeit
beendet. Mit dieser Entscheidung wird nach der Ansicht eines Reichsgerichts-
rats der Zweikampf versteckt gebilligt, den der Staat bestraft. Auf dem
Platz erscheint ein Offizier als „Zeuge" in der Rolle eines Duellpräsidenten.
In der offiziösen Schrift eines Obersten Spohn wird offenherzig gesagt,
wie die Tatsachen wirklich liegen; danach hat der Ehrenrat eine weitere
Bedeutung, als es nach den Bestimmungen der Kabinettsorder scheinen
könnte. Der Ehrenrat soll auf leichte Bedingungen einzuwirken versuchen.
Der auf dem Kampfplatz anwesende überwachende Offizier hat nach dem
Befehl des Ehrenrates Bestimmungen zu treffen. In einem weiteren Ab-
schnitt „Ueberwachung des Duells“ wird auseinandergesetzt, daß die üblichen
Kampfregeln beobachtet werden müssen; auch hier ist von einem „Ein-
schreiten“ des Ehrenrates die Rede. Dann erörtert der Verfasser die Frage,
wenn eine sichtbare Schonung des Gegners vorkommt, wenn also der eine
Duellant in die Luft schießt; auch da wird es für eine Pflicht des Ehren-
rates erklärt, den Betreffenden zu verwarnen; weigert er sich trotzdem, den
Kampf fortzusetzen, so ist das eine Verweigerung des Kampfes und der
Betreffende darum ehrlos. „Erscheint ein Gendarm auf dem Kampfplatze,
so hat der Vertreter des Ehrenrates ihm zu sagen, daß das Duell dienst-
lich gemeldet und also berechtigt ist.“ Darauf ist der Kampfplatz schleunigst
zu verlassen und ein geeigneterer aufzusuchen. — Die Statistik der schweren
Duelle ist bis jetzt sehr lückenhaft; vielleicht kann der Kriegsminister eine
genauere Auskunft geben, namentlich auch über die Fälle, welche im Be-
urlaubtenstande vorkommen, und zwar oft auf Grund reiner Lappalien