Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Erste Hälfte. (55a)

Bs Peessche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 19.—21.) 141 
abgeordneten vor sich. (Große Heiterkeit.) Der Erlaß gilt auch für die 
Matrosen unserer Marine. Ein Matrose von der „Möwe“, der den Herrn 
auch nicht kannte, wurde angeschrien: „Ihr Schweinepack, könnt ihr nicht 
grüßen" Dieser Erlaß hat schon internationale Verwicklungen zur Folge 
gehabt, da er auch für Inder und Griechen gelten soll. Im Jahre 1894 
wurden daher diplomatische Vorstellungen in Berlin erhoben. Herr v. Wrochem 
wurde zur Berantwortung gezogen, und nun kam das Interessante. Als er 
sich verantworten sollte, da hatte er an einem Morgen sich den Schlüssel 
zum Bezirksgericht geben lassen, um dort eine Aenderung in Ausdrücken 
des Erlasses vorzunehmen (Lebhaftes Hört, hört! und Unruhe), um die Schuld 
von sich abzuwälzen und andere, Unschuldige, in den Verdacht zu bringen, als 
ob sie einen solchen horrenden Erlaß herausgegeben hätten. (Lebhaftes Hört, 
dort: Unruhe und Bewegung.) Geschehen ist aber dem Herrn v. Wrochem 
nichts. Er ist dann in China verwandt worden und hat es trotz aller dieser 
Leldentaten zum Generalleutnant gebracht. Im Interesse des deutschen An- 
sebens muß gefordert werden, daß dieser Erlaß, falls er noch in Kraft ist, 
sofort kassiert wird.“ (Beifall.) 
Staatsfekretär Dr. Solf: „Der gegenwärtige Generalleutnant 
v. Brochem war als Major kurze Zeit Stellvertreter des Gouverneurs von 
Onafrika und hat in dieser Eigenschaft die beiden Erlasse oder Verordnungen, 
die der Vorredner erwähnt, ergehen lassen. Die beiden Erlasse sind aber 
in die Sammlung der Verordnungen nicht ausgenommen worden. (Beifall.) 
Der Abg. Arendt hat eine Schule für Wilhelmsthal verlangt. Wir haben 
bei dem zuständigen Gouverneur angefragt, ob er eine solche für zweck- 
mäßig halte. Der Gouverneur hat sich nicht zustimmend geäußert. Wir 
baben über die Frage des Beitrages an Schulen bei dem Etat für Süd- 
westafrika eine längere Debatte gehabt. Wir haben eingesehen, daß in 
Sudwestafrika die Dinge anders und günstiger liegen, so daß dort aller- 
dings den Eltern bei den großen Verkehrsschwierigkeiten eine Beihilfe ge- 
wahrt werden könnte. In Ostafrika liegen die Verhältnisse aber nicht so. 
Ich will aber betonen, daß das Kolonialamt nach wie vor das Schul- 
wesen in den Kolonien mit allen Kräften fördern wird. Ueber den Hafen 
von Daressalam ist mittlerweile ein Bericht des Gouverneurs eingegangen, 
der bestätigt, wie recht ich hatte, das erst geplante Projekt zurückzustellen. 
Uir werden aber möglichst bald mit einer Vorlage an das Haus kommen. 
Ueber die Verlängerung der Dienstperioden haben wir ja in der Budget- 
kommission eine eingehende Debatte gehabt. Wir sind zu dem Schluß ge- 
kommen, daß wir in Ostafrika die Dienstperiode nicht verlängern können. 
Auch in englischen Kolonien besteht ein Bedenken dagegen, die Dienst- 
veriode zu verlängern. Ich habe dort überall gefunden, daß im Laufe der 
Zeit infolge des Klimas die Schaffensfreudigkeit der Beamten erlahmt. 
Anders steht es mit Südwestafrika. Wir wollen diese Frage für dieses Ge- 
biet eingehend prüfen. Ich halte es für möglich, dort zu längeren Dienst- 
perioden zu kommen, und daß wir bald zu einem dahingehenden Entschluß 
gelangen werden. Herr Noske hat bei Besprechung des Etats von Deutsch- 
Ontafrika ein Schriftstück vorgelegt und es ein Dokument des grausamsten 
Sklavenhandels genannt. Aber seine Gründe sind nicht stichhaltig. Wir 
haben in der Kolonie Deutsch-Ostafrika ein Land erworben, in dem mehr 
als in einem anderen Lande in scheußlichster Weise Sklavenraub und -handel 
getrieben worden ist. Es war natürlich unsere erste Pflicht, diese Mißstände 
zu unterdrücken. Das ist uns gelungen. Es gibt zurzeit keine Sklaven- 
jagden und keinen Sklavenraub mehr. Sollten Ausnahmefälle vorkommen, 
so stehen schwere Strafen darauf, Kettenstrafen nicht unter drei Monaten, 
und in ganz besonders schweren Fällen Todesstrafe. Wie es schon bei uns
	        
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