Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Erste Hälfte. (55a)

Das Beutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 19.—21.) 145 
In der Fortsetzung der Debatte am 20. März kommt Abg. Quessel 
Sd. auf die Eingeborenenpolitik der Regierung zurück, die er ebenso 
schuldig findet wie die Konzessionsgesellschaft. Abg. Keinath (Nl.): „Wir 
haben alles Interesse daran, die Zeit der Diamantengewinne zu benutzen, 
um die dauernden Einnahmen zu erhöhen. Gewiß ist es auch zweckmäßig, 
die Selbstverwaltungskörper daran zu gewöhnen, daß die Kolonie selbst zu 
den Militärausgaben erheblich beitragen muß. Wir sollten dahin kommen, 
nach englischem System die Einzelheiten des Etats der Selbstverwaltung 
der Kolonie zu überlassen und den Etat nur darauf zu prüfen, ob nichts dem 
Munerland Nachteiliges in ihm enthalten ist. Dem Teilungsmaßstab für 
die Kosten des Schutzgebiets im Verhältnis von 1:2 haben wir zugestimmt, 
um Schlimmeres zu verhüten. Auch mir scheint das Vorgehen des Kolonial- 
amtes gegenüber den Diamantenförderern nicht ganz einwandfrei zu sein. 
Kann denn da nicht endlich Frieden werden? Der Forderung für die 
Ovambobahn stimmen wir zu. Wir können die geäußerten Bedenken nicht 
für berechtigt halten. Die Privilegien der Konzessionsgesellschaften müssen 
sodald wie möglich aufgehoben werden. Es geht nicht an, daß diese Gesell- 
schaften die Früchte der aus Reichsmitteln geschaffenen Anlagen einheimsen. 
Wir werden den Staatssekretär unterstützen, wenn er weitere Machtmittel 
gegen diese Gesellschaften anwenden und uns vorschlagen wird.“ Abg. 
Kuckhoff Z.): „Die Regierungspensionate für die Schulkinder verlangen 
mu dohe Preise. Es ist unbillig, einen Zwang auf die Unterbringung der 
Kinder in diesen Pensionaten auszuüben, wenn sie anderweitig billiger 
untergebracht werden können. Die höheren Schulen in Windhuk und Swa- 
tovmund leisten sehr Lobenswertes, aber es ist fehlerhaft, die Schulen genau 
nach dem deutschen Lehrplan einrichten zu wollen. Insbesondere darf nicht 
die Bevorzugung des Englischen wieder beseitigt werden. Wenn schon unsere 
beimischen Schulen als Muster dienen sollen, so nehme man die Land- 
wirtschaftsschulen zum Vorbild. Ich möchte wünschen, daß uns im nächsten 
Jabr eine Uebersicht über die Entwicklung des Schulwesens vorgelegt wird."“ 
Abg. Dr. Oertel (Dk.): „Was wir in den letzten Jahren über die Dia- 
manten gehört haben, war wenig erfreulich. Hoffentlich wird jetzt Schluß 
mit diesen unerquicklichen Fragen gemacht. Es ist gefehlt worden. Hoffent- 
lich ist der Weg in die Zukunft schöner. Ich wünsche, daß der Staats- 
sekretär künftig eine starke Dosis Gerissenheit für diese Frage in Anwen- 
dung bringt. Die Sache ist wegen der widerstreitenden Interessen nicht 
einfach. Es wird gut sein, die Förderer in der Form, wie sie es wünschen, 
zur Mitberatung heranzuziehen. Für die Zukunft wird der Diamantgewinn 
nicht das Rückgrat bleiben können, und wir müssen uns nach Ersatz um- 
sehen. Wir haben dort schon ein eigentliches, bleibendes Rückgrat; für mich 
ist es von Anfang an der Farmerstand gewesen. Es ist möglich, daß wir 
noch andere Bodenschätze dort finden, die uns vorübergehend einen gewissen 
Reichtum verschaffen; bleibend ist nur die Farmerschaft, die Ausnutzung 
des Grund und Bodens, und deshalb dürfen wir über dem vorübergehenden 
Glanz der Diamanten die Arbeit an und auf der Erde nicht vergessen. 
Bir haben leider in der letzten Zeit manchmal die Farmerschaft für die 
Rebensache gehalten, oder es hat doch so geschienen; in Südwest ist be- 
dauerlicherweise unter den Farmern oft dieser Eindruck erweckt worden 
und hat eine Verstimmung gezeitigt, die im Interesse des Reiches, des 
Schutzgebietes und der Farmer selbst sehr bedauerlich ist und recht bedenk- 
lich werden kann. Dem Anwachsen dieser Verstimmung vorzubeugen, halte 
ich für die besondere Aufgabe auch der heutigen Beratung. Die Farmer- 
schaft in Südwest muß zugeben, daß für sie manches geschehen ist; be- 
rechtigte Wünsche sind erfüllt worden, man hat den Landesrat geschaffen, 
Europäischer Geschichtskalender. LiV. 10
	        
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