Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Erste Hälfte. (55a)

146 Des Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 19.—21.) 
man hat sie merken lassen, daß wir bereit sind, zu tun, was in unseren 
Kräften steht und mit dem Gesamtinteresse der Kolonie vereinbar ist. Ich 
freue mich, daß es mir gelungen ist, im vorigen Jahre an der Schaffung 
der Landeskreditanstalt mitzuarbeiten. Die Farmer sehen ihrer Entwicklung 
mit Spannung und mit einer gewissen vorweg genommenen Befriedigung 
entgegen, sie hoffen viel davon, insbesondere für die Melioration des Landes. 
Der Staatssekretär hat uns über die Entwicklung dieser Bank einen kurzen 
Bericht in Aussicht gestellt; ich bitte ihn, daß er dieses Versprechen sobald 
wie möglich erfüllt. Vielleicht könnte an der Organisation noch etwas ge- 
ändert werden, und je eher und schneller das geschieht, desto besser. Die 
Landeskreditanstalt leistet vielleicht noch nicht das, was die Kolonisten alles 
von ihr erwartet haben. Trogdem halte ich es für gut, wenn man den 
Gedanken der Errichtung einer ähnlichen Anstalt für Ostafrika nicht von 
der Hand weist. Die Farmerschaft Südwestafrikas beschäftigt sich jetzt haupt- 
sächlich mit Viehzucht. Der Abg. Quessel meinte, die Entwicklung sei sehr 
bedenklich, wenn man hört, daß über 2 Millionen Mark mehr Vieh ein- 
geführt als ausgeführt worden ist. Man darf aber nicht vergessen, daß die 
Verhältnisse dort noch in der Entwicklung sind und es sich sicher dabei 
um hochwertiges Zuchtvieh handelt. Es könnte vielleicht wünschenswert sein, 
eine besondere Aufstellung über die eingeführten Tiere zu erhalten. Die 
Farmer haben seit etwa zwei Jahren den Versuch gemacht, mehr zur 
Bodenkultur überzugehen. Diese Versuche sind zum Teil mißlungen. Es 
lag zum Teil an der Witterung. Anderseits sind sie aber recht gut aus- 
gefallen, so daß die Herren da unten alle Ursache haben, die Versuche 
weiter auszudehnen. Das ist aber nur durch eine Massererschließung in 
großem Maßstabe möglich. Deswegen begrüßen wir auch die Mittel, die 
zu Wasserbauten, zur Wassererschließung und für Staudämme angefordert 
werden, mit besonderer Befriedigung. Der Uebergang zur Bodenkultur er- 
schließt weitere Zukunftsmöglichkeiten, die vielleicht einmal gedeihlich werden 
können. Man hat die Kolonie unser Schmerzenskind genannt. Gewiß, aber 
deswegen hat es der Vater auch am meisten lieb. Die Farmer behaupten 
aber nun auch, daß die Kolonie das Stiefkind ist und als Aschenbrödel 
behandelt wird. Ich bringe es nicht fertig, ihnen diese Befürchtungen ganz 
aus dem Herzen und Kopfe zu reißen. Die Konzessionsgesellschaften dürfen 
nicht rechtlos gemacht werden. Aber wenn sie ihren vertraglichen Verpflich- 
tungen nicht ausreichend nachkommen, dann müssen wir mit aller Ent- 
schiedenheit vorgehen. Wir sind nicht einverstanden damit, daß das Ambo- 
land durch Weiße nicht besiedelt werden soll. Ich bin der Ueberzeugung, 
daß wir oder unsere Kinder an der Entwicklung des Schutzgebietes Freude 
haben werden, wenn wir nicht knausern und nicht engherzig find. Die 
Farmer draußen sind tüchtige Männer. Sie sollen wissen, daß auch der 
Reichstag ein Herz für sie hat. Südwestafrika wird eine der schönsten 
Perlen unserer Schutzgebiete werden.“ Abg. Ahlhorn (Fortschr. Vp.): „Die 
Diamantenfunde haben leider der deutschen Diamantenindustrie nicht auf 
die Beine geholfen. Die deutschen Schleifer wollten Rohdiamanten haben. 
Das Antwerpener Syndikat hat aber selbst Schleifereien eingerichtet. Das 
Syndikat soll sich nur mit dem Verkauf von Rohware befassen. Da wäre 
es angezeigt, in Berlin einen eigenen Diamantenmarkt zu errichten.“ 
Staatssekretär Dr. Solf: „Ich bin in der glücklichen Lage, mit- 
zuteilen, daß auf die Anregung des Vorredners schon eingegangen worden ist. 
Er wird sich darüber freuen, wenn ich ihm mitteile, daß sein Landsmann, 
Herr Hahn aus Idar, mit in die Regie kommen wird. Nun möchte ich 
bemerken, daß wir vom Standpunkt der Regierung und auch vom Stand- 
punkt der Forderer in erster Linie verpflichtet sind, die Diamanten zu ver-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.