Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Erste Hälfte. (55a)

152 Des Dentsthe Reith und seine einzelnen Glieder. (März 19. —21. 
gung nicht bedürfen, die durch Vermittlung der Auseinandersepungsbehörden 
vorgenommen werden; und das sind wenigstens im Osten der Monarchie, 
und ich glaube auch teilweise im Westen, die meisten. Es bleiben dem- 
zufolge nach § 4 des Gesetzentwurfs für die Genehmigung nur bestimmite 
Fälle übrig, und auch in diesen Fällen kann eine behördliche Genehmigung 
nur versagt werden, wenn die Zerschlagung mit einer den gemeinwirtschaft- 
lichen Interessen entsprechenden Grundbesitzverteilung, insbesondere auch 
mit den Zielen der staatlich geförderten inneren Kolonisation nicht ver- 
einbar ist. Daraus geht zur Genüge hervor, daß der Gesetzentwurf sich in 
erster Linie gegen den Grundstücksschacher wendet, gegen die Konkurrenz, 
welche den staatlichen und gemeinnützigen Siedlungsgesellschaften durch der- 
artigen Güterhandel bereitet wird, und vor allen Dingen gegen die An- 
setzung von Kolonisten, die mit Rücksicht auf die ihnen auferlegten Lasten 
als existenzfähig für die Zukunft nicht bezeichnet werden können. Mit den 
hier zur Verhinderung einer unwirtschaftlichen Zerschlagung in Aussicht 
genommenen Maßnahmen wird zweifellos eine Einschränkung des Grund- 
stückshandels einhergehen. Dadurch werden die Grundstückspreise auf ein 
gesundes Maß zurückgeführt werden, der weiteren Mobilisierung des Grund- 
besitzes, die besonders im Osten teilweise erschreckende Dimensionen an- 
genommen hat, wird mehr vorgebeugt werden. Und endlich wird im Westen 
der Monarchie — und darauf lege ich unter Berücksichtigung der dortigen 
Verhältnisse den größten Wert — die Erhaltung unserer bäuerlichen Be- 
sitzungen in derselben Hand mehr als bisher herbeigeführt werden. Ich 
möchte hierbei die Bedeutung des § 4 in das richtige Licht stellen. Einmal 
soll eine Zerschlagung nicht genehmigt werden, wenn sie sich unter Berück- 
sichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht als zulässig erweist, und 
vor allen Dingen soll jede Zerschlagung vermieden werden, wenn sie mit 
den zielen der staatlich geförderten Kolonisation, also mit den Zielen der 
vom Staate unterstützten Siedlungsgesellschaften, und ebenso mit den zielen 
der staatlich eingerichteten Ansiedlungskommission (Zurufe l.: Hört, hört?“ 
in Posen und Westpreußen nicht vereinbar ist. Im Zusammenhange damit 
stehen auch die Vorschriften über das Rücktrittsrecht. Auch das Rücktritts- 
recht ist im Sinne des Gesetzentwurfes etwas Neues und zweifellos eine 
Maßnahme, die auf den ersten Anblick nicht sympathisch berührt. Hört, 
hört!) Aber zur Begründung dieses Vorschlages darf ich hinweisen aus 
die gleichen Bestimmungen des bayerischen Güterzertrümmerungsgesetzes. 
auf die kurze Frist, welche für die Ausübung des Rücktrittsrechtes vorgesehen 
ist, wie auch auf die Tatsache, daß nach den Erfahrungen, die bisher mit 
den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen gemacht worden sind, sehr häufig 
der Fall sich ereignet hat, daß Besitzer infolge von Ueberredung oder 
augenblicklich schwierigen Verhältnissen sich zu einer unüberlegten Hergabe 
und Preisgabe ihres Besitztumes haben bewegen lassen, und daß es ebenso 
zahlreiche Ansiedler gibt, die zweifellos ihre Stelle nicht übernommen hätten, 
wenn ihnen noch einige Zeit zur ruhigen Ueberlegung gelassen worden 
wäre. Nach den mir zugegangenen Berichten hat man in Bayern mit dem 
Rücktrittsrechte keineswegs ungünstige Erfahrungen gemacht. Das bayerische 
Güterzertrümmerungsgesetz ist seit dem Jahre 1910 in Kraft. Es ist in 
diesem Jahre bereits 64 mal von dem Rücktrittsrechte Gebrauch gemacht 
worden. Wenn die Behörden in Bayern mit dem Erfolge des Güter- 
zertrümmerungsgesetzes im großen und ganzen zufrieden sind, so führen 
sie diesen Erfolg wesentlich auf die Vorschriften über das Rücktrittsrecht 
und auch darauf zurück, daß infolge dieser Vorschriften der Güterhandel 
ganz erheblich zurückgegangen ist. Die Zahl der eingetragenen Güterhändler 
in Bayern ist von 1329 im Jahre 1910 auf 550 im Jahre 1912 zurück-
	        
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