Das Denisqche Reith und seine einfeluen Glieder. (April 8.) 195
rechtigten Ziele ein schlechter Dienst erwiesen. Der Dialekt und die fran-
zösische Unterhaltung würden indirekt verboten. Das sei eine falsche und
schädliche Maßnahme, die nur die Denunziation fördere. Der Staats-
sekretär erwiderte, daß sich der Erlaß lediglich auf das Verhalten der Lehrer
und Schüler innerhalb des Schulgebäudes und des Schulhofes beziehe und
in der Aufgabe der höheren Schulen begründet sei, in erster Linie deutsche
Bildung zu pflegen. Es werde nicht in den Privatverkehr der Lehrer ein-
gegriffen. Daß mit dem Erlasse die Denunziation großgezogen würde,
müsse er aufs entschiedenste bestreiten. Der Erlaß richte sich an einen hoch-
gebildeten Stand, dem Denunziationen wie ihm selbst zuwider seien. Er
sei überzeugt, daß der Erlaß richtig verstanden werden würde. Nach wie
vor stehe die Regierung auf dem Standpunkte, daß es sich um eine innere
Angelegenheit der Schulverwaltung handle. — In der Besprechung führte
Abg. Hauß (3.) aus, der Erlaß bedeute eine Herabwürdigung der jüngeren
Lehrerschaft in den Augen der Schüler und Schülerinnen. Er sei ein nicht
zu rechtfertigender Mißgriff. Die Veröffentlichung sei ein Akt der Not-
wehr gewesen. Der Erlaß sei eine Verbeugung vor der Mittelpartei. Nicht
der Dialekt habe getroffen werden sollen, sondern man habe der französischen
Unterhaltung auf dem Schulhofe zu Leibe gehen wollen. Die Abgeordneten
Zimmer (Lothr.) und Wolf (Lib.) mißbilligten gleichfalls den Schulerlaß.
Abg. Fuchs (Soz.) begründete einen Antrag seiner Partei, dahingehend:
Die Zweite Kammer kann die Auffassung der Regierung nicht teilen. Der
Erlaß wird mit den zu befürchtenden schweren denunziatorischen Folgen
seinen Zweck nicht erreichen. Dieser Antrag wurde mit Stimmengleichheit
abgelehnt und folgende Resolution des Zentrums einstimmig angenommen:
„Die Zweite Kammer kann den Erklärungen der Regierung nicht bei-
pflichten. Sie bedauert den Erlaß, der den Interessen der höheren Schulen
nicht förderlich ist.“
Am folgenden Tage wurde der Landtag bis zum 17. November 1914
vertagt. Die von der Regierung außer dem Haushaltsetat vorgelegten
wichtigen Gesetzentwürfe waren in den letzten Sitzungen der beiden Kammern
durchberaten und ohne wesentliche Aenderungen verabschiedet worden.
Zu nennen sind insbesondere das Gesetz betreffend den Nachtragsetat, das
die Aufbesserung der Bezüge der nicht etatsmäßigen Staatsangestellten vor-
sieht, und das Landeszuwachssteuergesetz, das die erforderlichen Mittel in
Höhe von rund 220000 Mark für diese Aufsbesserung bereitstellt; ferner
einige kleinere Gesetze.
8. April. Die neue „Vorschrift über den Waffengebrauch
des Militärs und seine Mitwirkung zur Unterdrückung innerer
Unruhen“ ist fertiggestellt und hat die Genehmigung des Kaisers
erhalten. Bayern, Sachsen und Württemberg haben ihr Ein-
verständnis damit erklärt, daß diese Vorschrift auf ihre im Reichs-
land stehenden Truppenteile Anwendung finde.
8. April. General der Kavallerie Graf zu Dohna-Schlobitten
tritt auf seinen Wunsch von der Stellung als Militärbevollmäch-
tigter am kaiserlich russischen Hofe zurück. Zu seinem Nachfolger
wird Generalleutnant und Generaladjutant von Chelius ernannt.
Anfang April. (Preußen.) Veröffentlichungen über Ver-
mögens= und Bevölkerungsstatistik.
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