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Auge hat, der kann doch die Erreichung seiner Ziele nicht damit anbahnen,
daß er das Vaterland in seiner Wehrhaftigkeit beeinträchtigt. Es geschieht
lediglich aus Parteirücksichten. Um den Einfluß der Partei zu heben, ver-
sucht man die Stützen des Staates zu erschüttern, legt man die Art an die
Wurzel der Macht des Reiches. Ein solches Beginnen muß ich von meinem
Standpunkt aus verderblich nennen. Und angesichts dessen, daß bei dem
einen Nachbar gerade jetzt die Dienstzeit sehr erheblich verlängert und die
Kaders der ersten Linie sehr erheblich weit über das Maß dessen, was wir
getan haben, hinaus verstärkt worden sind, muß ich ein solches Ansinnen auch
geradezu unbegreiflich nennen (Widerspruch bei den Sd.). Ja, Theoretiker
und Fanatiker vertreten ja manchmal unbegreifliche Dinge. Aber unser
gesundes Volk wird sich auf die Dauer nicht in dem Banne dieser An-
schauung fangen lassen. Ich bin ganz fest überzeugt, daß schon der Tag
anzubrechen beginnt, wo man über diesen Punkt jedenfalls im Volke fühlen
wird wie ich und solche Ansichten für Phantastereien und Hirngespinste höält.
Der Abg. Gothein ist dann eingegangen auf die Frage der Beförderung
ifraelitischer Mitbürger zu Offizieren des Beurlaubtenstandes. Er hat bei
dieser Gelegenheit sich auf eine Rede des Herrn v. Einem bezogen und es
auch aus den Worten des Herrn v. Einem geglaubt, beweisen zu können,
daß eine Antwort, die der Bundesrat auf eine Resolution des hohen Hauses
erteilt hat, sich mit der Wirklichkeit nicht deckt. Er hat nur leider vergessen,
einen Satz weiter aus der Rede des Generals v. Einem vorzulesen, wo
nämlich drin steht, daß der Zustand, daß schon seit Jahren, seit langen
Jahren kein israelitischer Soldat, wenn er sonst tüchtig ist, zum Reserve-
offizier befördert ist, gegen die Allerhöchsten Bestimmungen verstößt, und
das ist doch sehr wichtig. Daß der gegenwärtige Zustand (Zurufe bei den Sd.)
— ich bitte, mich ausreden zu lassen — von den ifraeclitischen Mitbürgern
beklagt wird, wird jeder begreifen, und ich beklage es auch. Indessen, es
handelt sich um einen tatsächlichen Zustand: daß er verfassungswidrig sei
an sich, muß ich natürlich zugeben, daß er aber durch irgendwelche ver-
fassungswidrigen Maßnahmen oder Einrichtungen veranlaßt ist und aufrecht
erhalten wird, bestreite ich. Und ich kann hinzufügen, daß, nachdem ich mich
informiert habe, nicht der leiseste Zweifel daran bestehen kann, daß ein
Israelit, sobald er die für alle Reserveoffiziersaspiranten ganz gleichmäßig
vorgeschriebenen Bedingungen erfüllt, anstandslos zum Offizier befördert
werden würde. Es ist dann der Abg. Graf Westarp auch auf die Iugend-
bewegung eingegangen, die bei der ersten Lesung eine größere Rolle ge-
spielt hat. Wenn ich mich recht erinnere, hat damals gegen die Iugend-
bewegung derselbe Herr von jener Seite (links) gesprochen, der der Ansicht
Ausdruck gab, ich sei hundert Jahre zu spät geboren worden oder es wäre
besser gewesen, ich wäre hundert Jahre früher geboren worden. Ich ver-
stehe den Wunsch. Ob diese Behauptung des betreffenden Herrn, der bei-
läufig zwanzig Jahre jünger ist als ich, zutrifft oder nicht, kann sich ja
erst in der Zukunft erweisen, und er hat mehr Aussicht infolge dieses Alters-
unterschiedes, es zu erleben, als ich; eins aber kann ich ihm heute schon
versichern: Ich würde gern hundert Jahre früher geboren sein; nach ver-
schiedenen Gesichtspunkten. Es wäre mir wirklich lieber gewesen, zu den
Füßen Fichtes zu sitzen und dessen von glühender Vaterlandsliebe durch-
tränkten Reden lauschen zu können, als jetnzt Reden anhören zu müssen,
denen nicht nur diese Eigenschaft fehlt, um schmackhaft zu sein, und ich
wäre wirklich lieber vor hundert Jahren mit der deutschen Jugend, mit
Friesen und Körner hinausgezogen zum offenen Kampf gegen den Dämon,
der damals das Vaterland zu erdrosseln suchte, als jetzt hier Redeübungen
halten zu müssen, die keinem unangenehmer sein können als mir selbst.