248 NBas Veutsche Reich uad seine einzelnen Glieder. (Mai 5.—13.)
müßten. Man darf in dieser Frage Stadt und Land nicht gegeneinander
ausspielen, die sind in gleicher Weise belastet. Auch im wohlhabenden
Westen gibt es sehr belastete Gemeinden. Wir wollen auch nicht Indus'rie
und Landwirtschaft gegeneinander ausspielen. Beide sind eines Stammes
Kinder. Wir wollen beiden entgegenkommen, wir wollen alle an einem
Strang ziehen und nur nach Gerechtigkeit und Billigkeit sehen. Früher
betrachtete man die Frage immer unter dem Gesichtspunkt der Entlastung
der Kommunen. Allmählich hat man die Formel vom Ausgleich gefunden.
Das ist schon ein Fortschritt. Aber dem Problem selbst wird man mit
dieser Formel nicht gerecht. Es handelt sich darum: Wie findet die Auf-
gabe des Staates ihre Erledigung? Wenn der Staat den Gemeinden
Selbständigkeit gibt, dann folgt daraus noch lange nicht, daß der Staat
dafür nichts zu bezahlen hätte. Ich erinnere an das Dotationsgesetz. Wenn
der Staat hier mit größern Mitteln eingreift, so ist daraus nun und nimmer
zu folgern, daß er weitergehende Rechte hätte. Meine Freunde legen er-
hebliches Gewicht darauf, daß der kommunale Charakter der Schule gewahrt
wird. Wir wissen sehr wohl, daß die Schule der Zentralstelle, daneben auch
den Bezirksinstanzen sehr viel verdankt, wissen aber auch, daß die Fort-
schritte, die gemacht sind, gerade größern weitsichtigen Gemeinden zu ver-
danken sind, die in verständnisvoller Weise vorbildlich im Schulwesen ge-
wirkt haben. Migquel warnte davor, der Schule den kommunalen Charakter
zu nehmen, das würde zu einer Art Chinesentum führen. Es wird durchaus
nicht die Folge sein müssen, daß die Lehrer unmittelbare Staatsbeamte
werden. Ich weiß auch nicht, ob das im allgemeinen politischen Interesse
liegen würde. Die Zahl der Beamten wächst von Jahr zu Jahr. Wir
haben 100000 Lehrer. Es scheint mir zweifelhaft, ob es wünschenswert
wäre, diese in die große Staatshierarchie einzugliedern. Zur Lösung des
schweren Problems „Stadt und Land“" haben die Freisinnigen Erhöhung
der Staatszuschüsse vorgeschlagen. Ich glaube nicht, daß der Weg gangbar
ist. Wenn wir jetzt schon mit einem so großen Dispositionsfonds arbeiten,
und wenn dann noch die persönlichen Kosten auf den Staat übernommen
werden sollen, wenn der Staat noch mit weitern 170 Millionen eintreten
soll, dann wird es nicht möglich sein, einen so hohen Fonds zu übernehmen.
Die zweite Möglichkeit wäre die der Besoldungskasse. Aus den Ausführungen
des Grafen von der Gröben scheint mir hervorzugehen, daß seine Freunde
tatsächlich eingesehen haben, daß dieser Gedanke abwegig ist. Die Frage
der Besoldungskassen ist zu einem Agitationswort geworden. Man glaubte,
für und wider die Besoldungskassen hieße für und wider die Schule.
Unsere Vorschläge verlangen nicht neue Mittel, sondern sie verschieben nur
die Aufbringung von den Gemeinden auf den Staat. Für Gleichstellung
der Lehrer in Stadt und Land ist unsere Partei immer eingetreten. Unsere
Vorschläge bedenten nur Richtlinien, bis wir die zu erwartende Denkschrift
haben. Unsere Entschließung ist weit genug gefaßt. Die Frage muß end-
lich aus dem Parteistreit heraus. Die jetzige Unruhe und Agitation muß
gegenstandslos gemacht werden durch die richtige Lösung der vorliegenden
Aufgabe. Und das ist eine Aufgabe vornehmster Art.“
Hierzu erklärt Kultusminister v. Trott zu Solz: „Den Klagen
über die zu große Belastung der Gemeinden mit Volksschullasten ist die
Berechtigung nicht abzusprechen, allerdings kommen bei dieser Belastung
auch noch andere Gebiete in Frage. Eingehende Erörterungen innerhalb
der Regierung haben gezeigt, daß es allerdings hauptsächlich darauf an-
komme, einen Ausgleich der Schullasten herbeizuführen. Bei den Beratungen
in der Kommission und im Hause ist von allen Seiten die Schwierigkeit
der Lösung anerkannt und die Notwendigkeit betont worden, eine endgültige