Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Erste Hälfte. (55a)

Vas Vetsche Reich und seine einzeluen Glieder. (Mai 5.—13.) 251 
soll zum Seminardienst und zur Kreisschulinspektion berechtigen. Was den 
jungen Mädchen jetzt gewährt ist, die das Oberlyzeum absolviert haben, 
ist auch den Volksschullehrern billig. Das haben auch die Universitäts- 
professoren anerkannt, die gegen jenen Erlaß protestiert haben. Die aka- 
demischen Kurse sind kein vollwertiger Ersatz des Universitätsbesuchs. Sie 
sind allerdings besser als gar nichts. Wir bitten um eine Denfkschrift über 
Besuch und Erfolge dieser Kurse. Unser Antrag kann gleich in die Praxis 
übersetzt werden. Beim Antrage v. Campe ist das nicht möglich. Herr 
v. Campe verlangt zwar die Umwandlung der Seminare im Sinne einer 
höheren Schule, aber sie sollen beileibe nicht selbst höhere Schulen werden. 
Das wollen wir aber gerade erreichen. Dazu wird allerdings eine Ver- 
längerung des Seminarunterrichts erforderlich sein. Wir wollen den an 
der Universität gebildeten Lehrern die Aufsichtsstellen gewähren, aber hier- 
unter begreifen wir nicht die Rektoratsstellen. Hierfür muß die Seminar- 
bildung ausreichen. Abg. Dr. Heß (Z.): Die Ausführungen der Vorredner 
haben mir imponiert, weil sie Konsequenz enthalten, und Konsequenz im- 
poniert mir immer. Der Abg. Dr. v. Campe hätte sich aber viel kürzer 
fassen können, er brauchte nur zu sagen: ich ziehe meinen Antrag zurück. 
Nach der Begründung des Abg. v. Campe ist von dem Antrag eigentlich 
kein Buchstabe mehr übrig geblieben. Aus dem Antrage mumß jeder heraus- 
lesen, daß jeder Lehrer ohne weiteres zur Universität zugelassen werden 
soll. Wenn der Abg. v. Campe das aber nicht gewünscht hat, dann hätte 
er es in seinem Antrage zum Ausdruck bringen müssen. Der Abg. Otto 
steht auch auf dem Boden der Königsberger Beschlüsse des Deutschen Lehrer- 
vereins von 1904, wonach prinzipiell alle Volksschullehrer zum Universitäts- 
studium zugelassen werden sollen. Er ist aber an der kitzlichen Frage 
vorbeigegangen, wie die Kosten dafür aufgebracht werden sollen. Ein Volks- 
schullehrer, der Akademiker ist, verlangt auch ein entsprechendes Gehalt. 
Der Volksschullehrer als solcher braucht kein Akademiker zu sein, aber wenn 
ibm eine Laufbahn eröffnet werden soll, dann wollen wir ihm auch eine 
andere Vorbildung geben. Wenn Herr Otto und mit ihm der ganze Frei- 
finn sich entrüstet, daß die Seminariker nicht in die Stellen der Kreisschul- 
inspektoren kommen, dann sollte der Freisinn erst mit gutem Beispiel durch 
Ernennung von Seminarikern zu Stadtschulräten in Berlin und anderswo 
vorangehen, damit man sähe, daß es ihm ernst mit dieser Forderung ist. 
Mein Antrag will eine Brücke zwischen dem Antrag der Freisinnigen und 
dem Antrag Campe bauen. Im Interesse des Lehrerstandes sollten die 
Freisinnigen von ihren Forderungen etwas zurückgehen, daß sie bis auf 
den Antrag Campe zurückgehen, mute ich ihnen nicht zu. Wir meinen, 
das Seminar muß eine Fachschule bleiben, wenn wir aber das Examen 
vom Seminar mit dem Abiturientenexamen gleichwertig machen, so würden 
daraus natürlich Konsequenzen gezogen. Wir sind der Ueberzeugung, daß 
dem Volksschullehrer eine Laufbahn eröffnet werden muß. Wir sind heute 
noch nicht so weit, daß der Volksschullehrer in Preußen Kultusminister 
werden kann. Wir leiden in Preußen an einem gewissen Assessorismus, 
der viel Uebles im Gefolge hat. Bei dem heutigen Verwaltungssystem liegt 
in Preußen sehr viele Intelligenz und Arbeitskraft brach. Der Weg zur 
Glückseligkeit führt bei uns einmal durch das Abiturientenexamen und durch 
das Staatsexamen. Dabei sind die Staatsexamen voneinander noch sehr 
verschieden. Der Assessor kann bei uns Justizminister werden; aber über 
diesem thront noch ein anderer, das ist — Sie kennen ihn alle — der 
Regierungsreferendar. Ueber die akademischen Lehrerkurse ist ein abschließen- 
des Urteil heute noch nicht möglich. Der Vorzug dieser Lehrerkurse, die 
sich eng mit dem akademischen Studium der Lehrer in anderen Bundes-
	        
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