Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Erste Hälfte. (55a)

280 Das Desche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 13.) 
macht, daß er das Telegramm mit einem Bericht an das Gouvernement 
sandte. Er hätte es nach Kenntnisnahme wieder freigeben sollen. Dieser 
Fehler ist vom Gouvernement sofort gerügt und die alsbaldige Freigabe 
des Telegramms angeordnet worden, die dann auch unverzüglich erfolgte. 
Die Behauptung, daß ein Scheinverfahren eingeleitet worden sei, ist durch 
nichts begründet. Es ist ein regelrechtes gerichtliches Verfahren eingeleitet 
worden, in welchem die Beschlagnahmeverfügung erging. Daß irgendein 
Schaden entstanden ist, ist eine durch nichts begründete Behauptung. Die 
Gegenüberstellung in der Denkschrift ergibt, daß von den sämtlichen gegen 
die Regierung erhobenen schweren Anklagen nichts übrig bleibt als ein un- 
erhebliches Vergehen der örtlichen Verwaltungsbehörde. 
Im übrigen besteht die Petition in der Hauptsache aus bewußten 
Unwahrheiten und haltlosen Verdächtigungen. Wenn die Eingeborenen in 
dieser groben Weise den Reichstag belügen, so erklärt sich das aus den 
Charakteranlagen der schwarzen Rasse und darf nicht so schwer aufgefaßt 
werden. Die Eingeborenen beabsichtigen damit, den wahren Grund ihrer 
Abneigung gegen die Enteignung zu verdecken. Sie wollten nämlich min 
ihren Grundstücken weiter spekulieren wie bisher. Mit jeder Million, die 
das Reich für die Verkehrsanlagen des Schutzgebietes und sonstige gemein- 
nützige Anlagen (Wasserleitungen, Kanalisation usw.) aufwendet, steigt der 
Wert des Grund und Bodens in dem Verkehrsknotenpunkt Duala, ohne 
daß die Eingeborenen einen Finger zu rühren brauchen. Diesen durch die 
Arbeit der weißen Rasse geschaffenen Mehrwert wollten sie in ihre Tasche 
stecken und davon leben. Die Weißen sollten die Bienen sein, und sie 
wollten als Drohnen ein sorgenloses Dasein führen. Da sie mit diesem 
wahren Grund beim Reichstag nicht durchdringen können, stellen sie er- 
fundene Behauptungen auf, die nur auf diejenigen Eindruck machen, die 
die Eingeborenen und die Verhältnisse in dem Schutzgebiet persönlich nicht 
kennen und damit die Behauptungen auf ihre Wahrheit nicht nachprüfen 
können. Es ist ihnen gelungen, durch die Petition die vorläufige Einstel- 
lung des Enteignungsverfahrens herbeizuführen. Dadurch ist zum ersten 
Male der konsequente Fortgang in den getroffenen Maßnahmen unier- 
brochen worden. Schwere politische Folgen haben sich bereits ergeben. 
Schon am Tage nach der Sitzung der Budgetkommission feierten die Ein- 
geborenen ihren Sieg über die Regierung mit Tanz und Trinkgelagen. 
Wenige Tage später überwiesen sie 5000 Mark an ihren Berliner Rechts- 
anwalt, der neuerdings weitere 3000 Mark von ihnen verlangt haben soll. 
Die Agitation hat bereits auf weitere Bezirke übergegriffen. Politische 
Versammlungen werden in der Nacht, heimlich und gegen das ausdrückliche 
Verbot des Bezirksamtmannes, von dessen Abberufung und Bestrafung be- 
reits gesprochen wird, abgehalten. Die Autorität der Regierung und der 
Weißen, auf die sich die Beherrschung der an Zahl tausendfach überlegenen 
Schwarzen durch die wenigen Europäer aufbaut, hat bereits erheblich ge- 
litten. Diese Folge ist um so bedauerlicher, als der Widerstand gegen die 
Enteignung nur noch mit künstlichen Mitteln von wenigen Hetzern, mit 
Manga an der Spitze, deren Interesse mit den Interessen der Gesamtheit 
der Duala durchaus nicht übereinstimmt, aufrechterhalten wird. 
Die Regierung wird, so schließt die Denkschrift, auch in Zukunft 
nach dem Grundsatz fortiter in re. Suaviter in modo verfahren. Wird die 
Enteignung entsprechend den aufgestellten Plänen durchgeführt, so wird eine 
Gesundung der politischen und wirtschaftlichen Verhältuisse in Duala eintreten. 
13. Mai. (Bayern.) Die Kammer der Abgeordnueten ver- 
wirft die Anträge der Sozialdemokraten und Liberalen auf Anderung
	        
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