Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Erste Hälfte. (55a)

304 Das Dentshe Reit und seine einzelnen Glieder. (Mai 18.) 
verbündeten Regierungen, die die vom Reichstag in zweiter Lesung ge- 
nehmigten Beschlüsse der Kommission nicht annehmen zu können ertlärt 
hatten. Um diesen Konflikt zu beseitigen, war ein Kompromißantrag gestellt 
worden, diesen erklärt der Schatzsekretär für annehmbar. Er bemerkt noch 
dazu: „Eine Deckung für die hieraus entstehenden Ausgaben würde nach 
Ihren bisherigen Beschlüssen allerdings zunächst nur für 1914 vorhanden 
sein. Die verbündeten Regierungen sind hiermit bis an die ihnen ver- 
tretbar erscheinende Grenze gegangen. Jedem Hinausgehen über den Ab- 
änderungsantrag würden sie aber ihre Genehmigung versagen müssen.“ 
Nach Schluß der Debatte folgt die Abstimmung. Für den Kompromiß 
antrag erheben sich die Konservativen, die Reichspartei, die Nationaalliberalen 
und Fortschrittler. Die Abstimmung bleibt zweifelhaft. Der Hammelsprung 
ergibt die Ablehnung des Kompromißantrags mit 3 Stimmen Mehrbeit. 
Es stimmten ab 152 mit nein, 149 mit ja. Darauf wird die Vorlage in 
der Kommissionsfassung, die von der Regierung für unannehmbar 
erklärt worden ist, einstimmig angenommen. 
Ueber das nunmehr endgültige Scheitern der Besoldungs- 
novelle wird einige Tage später halbamtlich geschrieben: 
„Die Regierung hatte durch sie eine Erhöhung der Gehältter der 
Deckoffiziere herbeiführen und namentlich auch diejenigen Folgerungen ziehen 
wollen, die sich aus der im Jahre 1913 eingetretenen Gehaltsaufbesserung 
für die Postassistenten und Postschaffner als notwendig erweisen. Dadurch 
hätten insbesondere die mindest besoldeten Unterbeamten, darunter die Land, 
briefträger, eine Vergünstigung erfahren. Die vorgeschlagenen Maßnahmen 
haben zwar die Zustimmung des Reichstags gefunden; dieser hat aber 
darüber hinaus eine Gehaltsaufbesserung auch für andere Beamte, ins- 
besondere für die gehobenen Unterbeamten, beschlossen. Die Regierung hat 
eine Aufbesserung der gehobenen Unterbeamten nicht grundsätzlich abgelehnui, 
sondern nur im gegenwärtigen Zeitpunkt für nicht durchführbar gehalten, 
well mit der Gruppe dieser Unterbeamten gleichzeitig auch andere Gruppen 
ausgebessert werden müssen, die ersorderliche sorgfältige Prüfung dieser 
Folgerungen aber noch nicht abgeschlossen ist. Die Regierung ist lebhaft 
bemüht gewesen, im Interesse der in der Novelle bedachten Beamten das 
Zustandekommen der Vorlage zu ermöglichen. Sie hat sich sogar bereit 
erklärt, einem von den Nationalliberalen, den Konservativen und der Fort- 
schrittlichen Volkspartei gemachten KRompromißvorschlag zuzustimmen, nach 
welchem nicht nur die in der Vorlage geplante Besoldungserhöhung schon 
jetzt durchgeführt, sondern auch die Vorlegung eines neuen Entwurfs wegen 
Eintommensverbesserung für die gehobenen Unterbeamten für das Jahr 1916 
gesetzlich sichergestellt werden sollte. Indem die Regierung ihre Bedenken 
gegen eine solche, wenig erwünschte Bindung für die Zukunft zurückstellte, 
ist sie bis an die äußerste Grenze dessen gegangen, was unter den gegen- 
wärtigen Verhältnissen überhaupt möglich war. Wenn trotzddem der Reichstag 
auf seinen weitergehenden Wünschen bestand, obwohl er damit bewußt das 
Scheitern der Vorlage herbeiführte, so muß ihn die volle Verantwortung 
dafür treffen. Die Haltung des Reichstags ist um so weniger verständlich. 
als über die Vorschläge der verbündeten Regierungen und die Notwendig- 
keit einer Gehaltsaufbesserung für die in der Vorlage bedachten Beamen 
eine Meinungsverschiedenheit nicht bestand. Nach dem Schceitern der Vor- 
lage hat die sozialdemokratische Partei für eine einzelne Beamtenklasse eine 
Gehaltserhöhung zu erzwingen versucht, indem sie diese in Form einer Zu- 
lage in den Elat einzustellen beantragte. Erfreulicherweise haben alle übrigen 
Parteien diesen Antrag abgelehnt und dadurch einen Konflikt mit der Re- 
gierung vermieden. Aus der verfassungsmäßigen Gleichberechtigung zwischen
	        
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