Das Dentshhe Reich und seine einfelnen Glirder. (September 13.) 3986
ist voller Begeisterung und gründet große Hoffnungen auf die außer-
ordentlichen Fortschritte, die seit dem japanischen Kriege gemacht worden
sind. Die Marine ist von der Verwirklichung ihres Erneuerungs- und
Reorganisationsplanes noch so weit entfernt, daß mit ihr wirklich kaum
zu rechnen ist. Darin eben liegt der Grund, warum die Zusicherung des
englischen Beistandes eine so große Bedeutung gewann. Wie ich die Ehre
hatte Ihnen heute zu telegraphieren (T. 10), scheint jegliche Hoffnung auf
eine friedliche Lösung dahin zu sein. Das ist die Ansicht der diploma-
tischen Kreise. Für mein Telegramm habe ich den Weg via Stockholm
über das Nordisk Kabel benutzt, da er sicherer ist als der andere. Diesen
Bericht vertraue ich einem Privatkurier an, der ihn in Deutschland zur
Post geben wird.
Genehmigen Sie, Herr Minister, die Versicherung meiner größten
Ergebenheit. B. de l'’Escaille.“
13. September. Das Hauptnachrichtenbureau für die nordische
Presse, Ritzaus Bureau in Kopenhagen, veröffentlicht Mitteilungen
des deutschen Reichskanzlers in folgendem Wortlaut:
Der englische Premierminister hat in seiner Guildhallrede für England
die Beschützerrolle der kleineren und schwächeren Staaten in Anspruch ge-
nommen und von der Neutralilät Belgiens, Hollands und der Schweiz
gesprochen, die von Deutschland gefährdet sei. Es ist richtig, wir haben
Belgiens Neutralität verletzt, weil die bittere Not uns dazu zwang. Aber
wir hatten Belgien volle Integrität und Schadloshaltung zugesagt, wenn
es mit dieser Notlage rechnen wollte. Belgien wäre dann ebensowenig
elwas geschehen, wie z. B. Luxemburg. Hätte England als Schützer der
schwächeren Staaten, Belgien unendliches Leid ersparen wollen, dann hätte
es ihm den Rat erteilen müssen, unser Anerbieten an zunehmen. „Geschützt"“
hat es unseres Wissens Belgien nicht. Ist also England wirklich ein so
selbstloser Beschützer? Wir wissen genau, daß der französische Kriegsplan
einen Durchmarsch durch Belgien zum Angriff auf die unbeschützten Rhein-
lande vorsah. Gibt es jemand, der glaubt, England würde dann zum
Schutze der belgischen Freiheit gegen Frankreich eingeschritten sein? Die
Neutralität Hollands und der Schweiz haben wir streng respektiert und
auch die geringste Grenzüberschreitung des niederländischen Limburg peinlichst
vermieden. Es ist auffällig, daß Herr Asquith nur Belgien, Holland und
die Schweiz, nicht aber auch die skandinavischen Länder erwähnt. Die
Schweiz mag er genannt haben im Hinblick auf Frankreich, Holland und
Belgien aber liegen England gegenüber an der andern RKüste des Kanals:
darum ist England um die „Neutralität“ dieser Länder so besorgt. Warum
schweigt Herr Asquith von den skandinavischen Reichen? Vielleicht weil er
weiß, daß es uns nicht in den Sinn kommt, die Neutralität dieser Länder
anzutasten? Oder sollte England etwa für einen Vorstoß in die Ostsee
oder für die Kriegführung Rußlands die dänische Neutralität doch nicht
für ein noli me tangere halten? Herr Asquith will glauben machen, daß
der Kampf Englands gegen uns ein Kampf der Freiheit gegen die Gewalt sei.
An diese Ausdrucksweise ist die Welt gewöhnt. Im Namen der Freiheit
hat England mit Gewalt und einer Politik des rücksichtslosesten Egoismus
sein gewaltiges Kolonialreich begründet. Im Namen der Freiheit hat es
noch um die Wende dieses Jahrhunderts die Selbständigkeit der Buren-
republiken vernichtet. Im Namen der Freiheit behandelt es jetzt Aegypten,
unter Verletzung internationaler Verträge und eines feierlich gegebenen
Versprechens, als englische Kolonie. Im Namen der Freiheit verliert einer
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