Das Denisqe Reit und seine rinzelnen Glieder. (Januar 10. 13.) 15
Preußens, den es bei der Gründung des Reiches ausgeübt hat, ist nicht
abgeschlossen. Die Aufgabe Preußens im Reiche ist mit den Jahren nicht
leichter, sondern schwerer geworden. Wollte Preußen auf diesen seinen ge-
schichtlichen Beruf verzichten, so läge darin ein Verzicht nicht etwa auf ein
usurpiertes Borrecht, sondern eine Vernachlässigung seiner Pflichten gegen
das Reich. Nicht um preußischen Partikularismus zu vertreten, ist die
Präsidialmacht Preußens geschaffen worden, sondern um in den Geschäften
des Reiches die ganze Kraft des Staatsgedankens zum Ausdruck zu bringen,
die Preußen verkörpert. Dieses Preußentum muß unter allen Umständen
hoch und unversehrt gehalten werden, nicht gegen das Reich, sondern für
das Reich. Bismarck erzählt davon, daß Kaiser Wilhelm lI., in einem andern
Zusammenhang, bei der schleswig-holsteinischen Episode ihn einmal vor-
wurfsvoll gefragt habe: Sind Sie denn nicht auch ein Deutscher? Diese
Frage kommt mir unwillkürlich in den Sinn, wenn Sie mich fragen: Sind
Sie denn nicht auch ein Preuße? Aus der Verschmelzung beider Gedanken
ist das Deutsche Reich erwachsen, und es wird kräftig bleiben, wenn wir
insgesamt jederzeit beide Fragen mit einem überzeugten Ja beantworten.“
(Lebhaftes Bravo.)
Bei der namentlichen Abstimmung über den Antrag stimmen von
208 Mitgliedern 185 mit Ja, 20 mit Nein.
10. Januar. Das Kriegsgericht zu Straßburg spricht den Oberst
v. Reuter und Leutnant Schad frei.
Die Begründung bemerkt, das Gericht habe sich auf Grund der
Beweisaufnahme der Ansicht nicht verschließen können, daß die Polizei-
gewalt in Zabern in den kritischen Novembertagen tatsächlich versagt hat.
Der Oberst habe sich gemäß den Dienstvorschriften als Garnisonskommandant
für berechtigt gehalten, einzuschreiten, um die verletzte Ehre seiner Offiziere
zu schützen. Er habe sich in einer Art Notstand befunden. Es habe ihm
das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit bei der Zurückbehaltung der Verhafteten
im Pandurenkeller gesehlt. Somit seien die subiektiven Voraussetzungen
für die Bestrafung in keinem Falle gegeben. Das gleiche gelte auch hin-
sichtlich des Angeklagten Schad.
Am gleichen Tage wird Leutnant v. Forstner vom Ober-
kriegsgericht zu Straßburg in der Berufungsverhandlung wegen des
Dettweiler Falles (s. Jahrg. 1913 S. 439) freigesprochen, da Not-
wehr vorgelegen habe.
In der Verhandlung wird bekannt, daß Leutnant v. Forstner am 17.No-
vember wegen des Ausdruckes „Wackes“ 6 Tage Stubenarrest erhalten hat.
13. Januar. (Preußen.) Beginn der Etatsberatung im Ab-
geordnetenhause.
» Nach einer Rede des Abg. Winckler (K.) über die Finanzlage und
die Frage der Arbeiterversicherung ergreift das Wort Ministerpräsident
v. Bethmann Hollweg: „M. H. Ich möchte zunächst eine Speziale aus
den Ausführungen des Herrn Vorredners vorwegnehmen. Der Abg. Winckler
hor seine und seiner Freunde Unzufriedenheit mit den Erklärungen des
Staatssekretärs des Innern über die Arbeitslosenversicherung hier aus-
gedrückt. M. H., daß der Staatssekretär des Innern eine Reichsarbeitslosen-
versicherung für eine verhältnismäßig nahe Zeit oder überhaupt in sichere
Tussicht gestellt habe, beruht auf einer Verkennung seiner Worte. Selbst
wenn man die Frage der Arbeitslosenversicherung rein akademisch betrachtet,