Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Erste Hälfte. (55a)

Das Vefsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 14.) 25 
und von ihr als heilige Pflicht übernommene Wahrung der Interessen des 
Landes außer Augen gelassen. Es erscheint absolut unzulässig, in Kom- 
petenzfragen, deren Entscheidung nicht vor das eigene Forum gehört, öffent- 
lich Stellung zu nehmen. Mit dem Generalkommando des 15. Armeekorps 
hat die Regierung in dauernder Fühlung gestanden. Sie hat ohne Verzug 
die Schritte getan, die allein zur Feststellung vorgekommener Verfehlungen 
und deren Sühnung führen konnten. Im übrigen würde die Regierung 
nicht einen Tag zögern, ihren Platz zu räumen, wenn nicht die vollkommene 
Gewähr für eine Wahrung ihrer verfassungsmäßigen Zuständigkeit ge- 
geben wäre. 
14. Januar. (Elsaß-Lothringen.) Die Zweite Kammer be- 
ginnt die Besprechung der Zaberninterpellationen. 
Vor Eintritt in die Tagesordnung gibt Präsident Dr. Ricklin fol- 
gende von den vier Parteien des Hauses eingebrachte Resolution be- 
kannt: „Die Zweite Kammer ist mit der Regierung der Ueberzeugung, daß 
die Zivilverwaltung in Zabern durchaus ihre Pflicht getan und daß zu 
dem Eingreifen des Militärs jeder tatsächliche Anlaß und jede rechtliche 
Grundlage gefehlt hat. Sie stellt fest, daß die Regierung auch im 
engen Rahmen ihrer verfassungsmäßigen Befugnisse eine größere Energie 
zur Erlangung einer Genugtuung für die dem elsast-lothringischen Volke 
zugefügte Beleidigung hätte entfalten sowie zur Aufklärung und Beruhigung 
etwas hätte tun können. Sie vermag endlich in der gestrigen Erklärung 
keine Gewähr gegen eine Wiederholung solcher gesetz= und rechtsverletzenden 
Vorkommnisse zu finden. Die Zweite Kammer bittet den Reichstag, dem 
sie für sein energisches Eintreten den Dank des elsaß-lothringischen Volkes 
ausspricht, in Fortführung des Kampfes um die Wahrung von Gesetz und 
Recht einzutreten für: 1. eine den modernen bürgerlichen Anschauungen 
entsorechende reichsgesetzliche Abgrenzung der Gewalten, 2. eine Reform 
der Militärgerichtsbarkeit, 3. einen Ausbau unserer Verfassung in der Rich- 
lung der vollen bundesstaatlichen Selbständigkeit Elsaß-Lothringens.“" 
Sodann führt Unterstaatssekretär Dr. Petri folgendes aus: „Es ist 
richtig, daß die drei Staatsanwalte in Zabern vom Vorsitzenden des Kriegs- 
gerichts nicht geladen worden waren. Ich habe darauf die Staatsanwälte 
von der Verpflichtung zum Amtsverschwiegenheit entbunden und telegraphisch 
aufgefordert, sich dem Präsidenten des Kriegsgerichts zur Verfügung zu 
stelen. (Bravo!) Sie haben Punkt für Punkt dic Angriffe widerlegt, die 
Oberst von Reuter erhoben hat. Ich habe meinerseits Veranlassung ge- 
nommen, einen Bericht vom Oberstaatsanwalt einzufordern, der vorgestern 
eingelaufen ist. Daraus ergibt sich, daß die Staatsanwaltschaft durchaus 
sachgemäß gehandelt hat. Dabei ist festzustellen, daß gegen keine einzige 
Ziollperson eine Anzeige ergangen war und somit auch keine Verfolgung 
von Zivilpersonen eintreten konnte. Oberst von Reuter hatte keinen Grund, 
der Meinung Ausdruck zu geben, als ob die Staatsanwaltschaft bei ihren 
Entschließungen von einer gewissen Voreingenommenheit befangen war, 
sei es gegen die Person des Herrn Oberst, sei es gegen das Militär über- 
daupt. Ich weise eine solche Unterstellung im Namen der Staatsanwalt- 
schaft und der ganzen Justizverwaltung entschieden zurück. (Lebhaftes Bravo.) 
Bezüglich der Zurückhaltung der Verhafteten im Pandurenkeller verweise 
ich auf die gestrige Regierungserklärung. Verwahrung muß ich aber da- 
gegen einlegen, daß Oberst von Reuter seine Maßnahmen damit begründet, 
es sei nicht damit abgetan, daß die Sistierten dem Amtsgericht vorgeführt 
werden. Daraus klingt der Vorwurf, das Gericht würde seines Amtes 
nicht pflichtgemäß walten und die Verhaftungen nicht mit dem nötigen
	        
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