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unerträgliche Zurücksetzung auf die Dauer nicht gefallen lassen. Die Klärung,
die in der braunschweigischen Frage erfolgt ist, betrachten auch wir als eine
erfreuliche Erledigung der herrschenden Situation, und schon die freudige
Aufnahme, die der junge Herzog und die Kaisertochter in Braunschweig
gefunden haben, geben von der Stimmung der dortigen Bevölkerung ein
anschauliches Bild. Das Klarste, was in dieser ganzen Frage geschehen
ist, ist im Deutschen Reichstag geschehen, als der braunschweigische Re-
gierungsvertreter darlegte, daß das braunschweigische Volk einen Anspruch
darauf habe, daß diese Angelegenheit endlich zu einer befriedigenden Lösung
geführt würde. Der Fall Zabern ist nach meiner Meinung in einer Rich-
tung höchst erfreulich, sowohl in seiner Ursache wie auch in seinen Begleit-
erscheinungen und in seinen Wirkungen.“ Redner verteidigt das Verhalten
der Reichstagsfraktion und kritisiert den Standpunkt des Reichskanzlers.
Er bemerkt: „Uns hat nichts ferner gelegen, als irgend eine antimilitaristische
Stimmung auszudrücken, wir denken nicht daran, ein Parlamentsheer zu
schaffen. Das haben wir bei mehr als einer Gelegenheit mit voller Ueber-
zeugung zum Ausdruck gebracht. Wir werden das Offizierkorps und die
Armee in vollem Umfange zu schützen wissen, sobald sie angegriffen werden!
Es ist bedauerlich, daß solche unerhörte Entgleisungen in Zabern vor-
gekommen sind. Aber für solche Ausschreitungen die ganze Bevölkerung
Zaberns oder Lothringens verantwortlich zu machen, das geht nicht. Ich
bin auch der Ueberzeugung, daß man dort in weiten Kreisen diese Aus-
schreitungen in höchstem Maße bedauert. Wir sprechen die Hoffnung aus,
daß der Fall Zabern, der Gott sei Dank in vierzig Jahren der einzige
seiner Art ist, für alle Zeit allein steht. Es ist aber für den Fall der
Wiederholung in irgend einem anderen Orte Preußens erforderlich, in
stritigen Fragen möglichst bald eine Klärung herbeizuführen. Ueber zwei
Fragen ist die nötige Klärung zu geben, zunächst über die Frage, welche
Rechte der Offizier und der Soldat hat, wenn er tätlich angegriffen und
beleidigt wird. Die zweite Frage ist, unter welchen Voraussetzungen und
Bedingungen die Militärbehörde berechtigt ist, die Polizeigewalt zu über-
nehmen. Wenn die Kabinettsorder von 1820 heute noch in Preußen Gel-
tung hat, so ist es selbstverständlich, daß ihre Rechtsgültigkeit auch für Elsaß-
Lothringen bejaht wird. Nun kann aber auch der Fall eintreten, daß
baverische Kontingente in Elsaß-Lothringen garnisoniert sind, und Bayern
besitzt nicht eine Bestimmung, wie sie in der preußischen Kabinettsorder
ausgedrückt ist. Es würden sich also daraus große Unzuträglichkeiten in
den Reichslanden ergeben. Nun ist in diesem Hause viel über das Ver-
hältnis Preußens zum Reiche gesprochen worden. Ich kann mich in der
Stellungnahme meiner Fraktion zu dieser aktuellen Frage auf eine pro-
ammatiiche Erklärung meiner Partei berufen. Sie lautet: Die Zentrums-
aktion des Deutschen Reiches hat bei ihrer Gründung im März 1871 an
die Spitze ihres Programms folgenden Grundsatz für ihre Tätigkeit gestellt:
Der Grundcharakter des Reiches als eines Bundesstaates soll gewahrt werden,
demgemäß den Bestrebungen, welche auf eine Aenderung des föderativen
Charakters der Reichsverfassung abzielen, entgegengewirkt und von der
Selbstbestimmung und Selbständigkeit der einzelnen Staaten in allen inneren
Angelegenheiten nicht mehr Gebrauch gemacht werden, als die Interessen
des Ganzen unabweislich erfordern. Wie haben sich doch die Zeiten ge-
#ändert! Damals in den siebziger Jahren des verflossenen Jahrhunderts
wurde vielfach die Befürchtung laut, daß die unitarischen Bestrebungen
dazu führen würden, Preußen nicht diejenige Stellung im Reiche zu ver-
schaffen, die ihm nach seiner ganzen historischen Entwicklung gebührt. Heute
nehmen die Befürchtungen die entgegengesetzte Richtung an, man ist besorgt,