Das Deessche Reich und seine einzeluen Glieder. (Januar 23.) 520u%
ftrafbar oder straflos sei, hängt lediglich ab von der Frage, ob sein Vor-
gehen durch die Dienstinstruktion von 1899 gedeckt war. Aus demselben
Grunde würde sich auch das Berufungs= oder Revisionsgericht niemals mit
der Frage der Rechtskraft der Kabinettsorder zu befassen haben.
Nachdem nunmehr infolge der Zaberner Vorgänge und infolge der
Erörterungen, welche sich daran geknüpft haben, die Frage aufgeworfen sei,
ob diese Bestimmungen der Kabinettsorder vom Jahre 1820 in der Ver-
josung, dem Gesetz und den allgemeinen Rechtsgrundfätzen die Unterlage
findet, hat S. M. der Kaiser eine Prüfung befohlen, ob die Bestimmungen
der Anweisung, welche sich auf das hier besprochene requisitionslose Ein-
schreiten des Militärs beziehen, in ihrer Fassung klar und unzweifelhaft
seien. Diese Prüfung ist im Gange, sie wird mit aller Beschleunigung
durchgeführt. Damit ist alles geschehen, was zurzeit überhaupt geschehen
konn. (Widerspruch links.) M. H.! Ich hoffe, es wird bei dieser Gelegen-
heit möglich sein, eine Uebereinstimmung unter den Dienstanweisungen für
die verschiedenen Kontingenten angehörenden Truppenteile in den Reichs-
landen herbeizuführen.
Von den Verhältnissen in den Reichslanden will ich hier im
einzelnen nicht sprechen. Daß dort viel geschehen muß, um zu normalen
Zuständen für Land und Reich zu gelangen, ist unbestreitbar, und das
wird geschehen. Einer Auffassung aber muß ich entgegentreten: der Auf-
fassung, daß der Zaberner Fall typisch sei für die Verhältnisse im Reichs-
lande. Ich habe schon bei Beantwortung der Interpellation darauf hin-
gewiesen, daß es dort zufällige Vorkommnisse waren, welche den ersten
Anstoß gaben und daß persönliche Unstimmigkeiten stattgesunden haben.
Eine Tatsache, die jetzt durch das Kriegsgericht nur zu sehr bewahrheitet
worden ist. Ich glaube, wir erweisen weder dem Reichslande noch dem Reiche
einen Dienst, wenn wir aus den Zaberner Vorgängen einen anderen als
den einen Schluß ziehen, daß die Reichslande nur unter einer ruhigen, aber
gerechten und verfassungsmäßigen Regierung bestehen können. (Beifall.)
Wenn ich über die Reichslande hinweggehe, verweise ich auf die nervöse
Stimmung, in der sich in den letzten Tagen die Nation befand und schließ-
lich in einem Versuch zum Ausdruck kam, einen partikulariftischen
Gegensatz zwischen Nord und Süd zu konstruieren. Diese Versuche
müssen im Keime erstickt werden. Der Bayer, der Franke sieht mit anderen
Augen und anderen Stimmungen als der Norddeutsche. Und jeder ist eifer-
suchtig darauf bedacht, seine Stammeseigenart mit allen ihren Vorzügen,
aber auch mit allen ihren Schwächen zu verteidigen, der Süddeutsche so gut
wie der Norddeutsche. Aber wohin soll es führen, wenn man sich immer
wieder gegenseitig die Vorzüge und Schwächen vorhält. (Beifall.) Da können
nur Verstimmungen hervorgerufen werden. Wir haben es ja in den letzten
Tagen gesehen, wie mit einem Mal ein schweres Aergernis hervorgezaubert
worden ist auf Grund eines Mißverständnisses. (Lebhafter Beifall und
Biddeuch.) M. H.! Sie können versichert sein, kein Deutscher könnte so
stolz sein auf sein Volkstum, wie er ist, wenn wir nicht das einige Deutsche
Reich hätten. Das beste, was jeder an staatlichem Verantwortlichkeitsgefühl
und Pflichtbewußtsein hat, ist gerade gut genug für das Reich, das unsere
Vätler in treuer und tapferer Kameradschaft mit ihrem Blute erstritten
haben. (Beifall.) Alle haben in der gleichen Begeisterung, in der gleichen
Hingabe und mit der gleichen Tapferkeit, auch die bayerische Armee,
von der jetzt in den letzten Tagen die Rede ist seit den Verhandlungen des
Preußentages, ihre Pflicht getan. Die Schlachtfelder von Wörth und Weißen-
burg, das blutige Ringen um Orleans verkünden genug, was die bayerischen
Soldaten im Jahre 1870 geleistet haben. (Lebhafter Beifall.) Wir wissen,