Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

708 Italien. (Januar 1. -21.) 
VII. 
Italien. 
1. Januar. Der Minister des Außern Marchese di San Giuliano 
über die politische und wirtschaftliche Lage Italiens. 
In einem aus Anlaß des Jahreswechsels an die Vertreter Italiens 
im Auslande gerichteten Zirkularschreiben weist der Minister darauf hin, 
daß die wirtschaftliche Kraft der Nation die Nachwirkungen des Krieges 
mit der Türkei sowie der darauffolgenden Balkankriege mit einer die all- 
gemeine Erwartung übertreffenden Leichtigkeit überwunden habe. Die 
Staatsfinanzen und die Wirtschaftslage des Landes dürften sich zu den 
besten in Europa zählen. Zusammen mit der moralischen Stärke, von der 
das italienische Volk so beredte Beweise gegeben habe, habe dies zu einer 
Steigerung des politischen Ansehens Italiens beigetragen, die des öfteren 
in den Parlamenten wie in der führenden Presse des Auslands ihren Aus- 
druck gefunden habe. 
3. Januar. Die offiziöse „Tribuna“ über die italienisch-öster- 
reichischen Beziehungen. 
Zu der Ankündigung eines Besuches di San Giulianos bei Graf 
Berchtold bemerkt das Blatt: San Giuliano werde bei diesem Besuche von 
der lebhaften Sympathie des italienischen Volkes begleitet sein, das die 
Akte der Herzlichkeit voll und ganz zu schätzen wisse, welche die Regierung 
in Wien Italien bezeigte. Gestern gaben wir, fährt die „Tribuna“ fort, 
mit Befriedigung die Meldung wieder, in der die beifällige Aufnahme mit- 
geteilt wurde, welche die Bereitwilligkeit der österreichisch-ungarischen Re- 
gierung, den italienischen Standpunkt in der Frage der ägäischen Inseln 
zu unterstützen, in Wien gefunden habe. Heute empfingen wir von unserem 
Berichterstatter Meldungen über neue Aeußerungen dieses Gefühls der 
Genugtuung, die in Wiener politischen Kreisen über die sympathische Hal- 
tung Oesterreich-Ungarns gegenüber Italien herrscht. Wir können die Tat- 
sachen nicht übersehen, die einen tiefen Eindruck auf unser Volk gemacht 
haben und bezeichnend sind für das herzliche Zusammenarbeiten der beiden 
verbündeten Regierungen. Dieses stützt sich auf eine gleichmäßige Herzlich- 
keit in den Empfindungen der Völker, die wir immer als notwendig und 
wirksam bezeichneten für die Festigung des Freundschafts- und Bundes- 
verhältnisses ebenso wie für die Erreichung positiver Erfolge der gemein- 
samen internationalen politischen Aktion. 
15. Januar. (Syrakus.) Der Besuch des deutschen Panzer- 
kreuzers „Goeben“ gestaltet sich zu einer herzlichen deutsch--italienischen 
Kundgebung. 
21. Januar. Die „Tribuna“ über die Zwölfinselfrage. 
Das Blatt erklärt, daß Italien die von ihm besetzten Inseln nicht 
eher räumen werde, als bis es für die Opfer an Gut und Blut, die es 
infolge der Nichterfüllung des Lausanner Vertrages auf sich nehmen mußte, 
entschädigt worden sei. Es werde in dieser Haltung von seinen Verbündeten 
unterstützt und habe Grund, anzunehmen, daß die Gerechtigkeit seiner Gesichts- 
punkte auch von dem Dreiverbande anerkannt würde. Italiens Absicht sei
	        
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