122 Dentsqhes Reih. (Februar 14. — 17.)
weit das Licht des preußischen Geistes uns im Kriege bis zu dieser Stunde
getragen hat. Durch ein Wahlrecht nach Leistungen wollen wir keincs-
wegs die Herrschaft des Geldsacks oder des Kriegswuchers. Aber wir
wünschen, daß einer Reihe von Berufsständen Gelegenheit zur vermehrten
Mitwirkung gegeben wird. Das vielgerühmte Reichstagswahlrecht entspricht
gerade diesen Anforderungen nicht. In diesem allgemeinen, gleichen, ge-
heimen und direkten Wahlrecht liegen eine Menge von Keimen ernster Un-
gerechtigkeit und seine Einführung wäre kein Segen für den preußischen
Staat. Wir sind mit der Linken darin einig, daß neue Wege gesucht werden
müssen, um ein Wahlrecht zu finden, das der Gerechtigkeit besser entspricht
als das bisherige, aber auch als das Reichstagswahlrecht. Dem deutschen
Volke ist heute bereits eine Kriegslast von annähernd 120 Milliarden er-
wachsen. Wenn nach dem Prinzip Scheidemanns jeder seine Lasten selber
trägt, dann möchte ich den Staatsmann und den Sozialdemokraten sehen,
der es fertig brächte, einem so bis zum Niederbrechen belasteten Volke die
wirtschaftliche Selbständigkeit und nationale Entwicklungsfähigkeit zu sichern
gegenüber der amerikanischen und asiatischen Konkurrenz. Das ist aber
wichtiger, als das Reichstagswahlrecht in Preußen einzuführen.
Abg. Korfanty (Pole): Zu den leidenschaftlichen Angriffen des
Ministers nach meiner letzten Rede war kein Anlaß gegeben. Wir bestehen
auf Streichung der polengegnerischen Fonds. Die Polen haben viele Ent-
täuschungen erlebt, jetzt sind wir vorsichtig und zurückhaltend. Von unseren
Wählern sind wir dazu gedrängt worden, dem Mißtrauen gegen die Re-
gierung Ausdruck zu geben. Wir wollen in Eintracht mit unseren Mit-
bürgern auf Grund gegenseitiger Achtung leben. Wir haben durchaus
nicht den Wunsch, unsere Kräfte in Nationalitätenkämpfen zu vergeuden.
Abg. Dr. Friedberg (Natl.) äußert sich in programmatisch bedeutsamer
Weise zur Frage des parlamentarischen Regierungssystems: Wie
jedes andere hat es seine Vorzüge und seine Nachteile, die politischen
Talente kommen besser zur Geltung. In Deutschland fehlt jedoch die Grund-
lage eines solchen Systems, das sich nur auf große feste Parteien gründen
kann. Sind diese nicht vorhanden, dann kommt es wie in Frankreich zu
einer öden Ministerstürzerei, die die Einheitlichkeit und Stetigkeit der
auswärtigen Politik und der Verwaltung gefährdet. Den Gedanken eines
Oberhauses im Reiche halte ich für durchaus verfehlt. Es handelt sich
nicht um eine Erste Kammer, sondern um einen Senat als Instanz, wo
die Rechte der Einzelstaaten wahrgenommen werden. Diese Aufgabe erfüllt
bei uns der Bundesrat weit besser, weil es sich z. B. in Amerika bei diesen
Vertretungen auch wieder nur um Parlamente handelt, während im Bundes-
rat unmittelbar der Wille der Einzelstaaten zum Ausdruck kommt. Auch
mit den verantwortlichen Reichsministerien kann ich mich nicht be-
freunden. Die Politik des Reiches muß einheitlich sein. An der Spitze kann
darum nur ein Beamter stehen, der die Verantwortung trägt. Deshalb ist
der jetzige Zustand durchaus richtig, daß der Reichskanzler der alleinige
politisch verantwortliche Beamte im Reich ist, und daß die Staatssekretäre
seine Gehilfen sind, die seine Politik mitmachen müssen. Das kollegiale
System ist schon für die Größe unseres engern preußischen Vaterlandes nicht
mehr recht passend. Die Minister mögen tüchtige Verwaltungschefs sein
und ihre Mehrheitsbeschlüsse verwaltungstechnische Vorzüge haben, aber
vom politischen Standpunkt aus lassen sie nicht den richtigen Hauch ver-
spüren. Die Einbringung des Fideikommißgesetzes läßt z. B. auf nicht-
politische Persönlichkeiten schließen. Technisch soll es ein gutes Gesetz sein
und der Autor mag rein verliebt darin sein und es gern durchsetzen
wollen. Dies ist ein Beispiel, daß an die Spitze des Staates eine Persön-