Ventsches Reich. (April 24. 25.) 455
24. April. Die U. Soz. zum 1. Mai.
Die Fraktionen der Unabhängigen Soz. des Reichstags und des
preuß. Landtags beschließen in einer gemeinsamen Sitzung folgende Kund-
gebung: Mehr denn je ist die Bekundung internationaler Solidarität
Pflicht der Arbeiterklasse, soll der grausige Weltkrieg seinem Ende näher-
gebracht werden. Dieses Bewußtsein wird ganz besonders am 1. Mai d. J.
überall die Arbeiter und Arbeiterinnen durchdringen. Sie werden, wo es
nur irgend möglich ist, ihre Stimme erheben für die Forderungen, die sie
bis ins tiefste bewegen: für den Achtstundentag, für den Weltfrieden, für
die Völkerverbrüderung!
25. April. Der Reichskanzler richtet an sämtliche Bundes-
regierungen folgendes Schreiben:
Jeder Deutsche weiß, daß die Sicherheit unseres Vaterlandes und daß
der Sieg in dem uns aufgezwungenen Kampfe von der Beschaffung des
gewaltigen Rüstzeuges für Heer und Flotte abhängt. Dazu ist
eine unausgesetzte, angestrengte Arbeit in allen Betrieben, die für
die Kriegführung Bedeutung haben, unbedingt notwendig. Werden solche
Unternehmungen, wenn auch nur auf kurze Zeit, stillgelegt, so wird die
Schlagfertigkeit unserer Truppen in Frage gestellt und den Plänen und
Berechnungen unserer Heeresleitung die Unterlage entzogen. Die aufsgeklärte
deutsche Arbeiterschaft ist sich der hohen Bedentung ihrer Aufgabe voll be-
wußt. In letzter Zeit haben aber an einigen Orten Personen, die sich
dadurch bewußt oder unbewußt in den Dienst unserer Feinde stellen, ver-
sucht, sie in der Erfüllung dieser Aufgabe zu stören. In verschiedenen Be-
trieben, deren ungestörter Fortgang für die Landesverteidigung wesentlich
ist, ist an die Arbeiter mündlich, schriftlich oder durch die Verteilung von
Flugblättern und Handzetteln die Aufforderung zur Arbeitsein-
stellung gerichtet worden. Es ist ferner mehrfach versucht worden, Ar-
beiter, die, getreu ihrer Pflicht, zur Werkstatt zurückkehrten, von der Arbeit
abzuhalten. Auch in Zukunft werden solche Versuche scheitern an dem
vaterländischen Pflichtgefühl und dem gesunden kameradschaftlichen Sinn
unserer deutschen Arbeiter und Arbeiterinnen, die in Uebereinstimmung mit
der Leitung ihrer bewährten Berufsorganisationen ihre ganze Kraft daran
jetzen, unseren kämpfenden Brüdern zu schaffen, was sie zur Verteidigung
der Heimat brauchen. Die deutsche Arbeiterschaft soll aber wissen, daß die
Staatsbehörden, die über Recht und Gesetz zu wachen haben, mit ihr gegen
jene verbrecherischen Machenschaften ankämpfen werden. Das Strafgesetzbuch
bedroht diejenigen, die auf die angegebene Weise einer feindlichen Macht
Vorschub leisten oder der Kriegsmacht des Deutschen Reiches oder seiner
Bundesgenossen Nachteil zufügen, wegen Landesverrats mit schwerer Strafe.
Wer unseren tapferen Kriegern in diesem heiligen Kampfe ehrlos und treulos
in den Rücken fällt, der stellt sich außerhalb der Volksgemeinschaft und soll
von der ganzen Schärfe des Gesetzes getroffen werden. Ich weiß mich einig
mit den hohen Bundesregierungen in dem Gefühl heiliger Pflichterfüllung,
jede deutsche Arbeit in dem Dienste unseres um sein Dasein ringenden Volkes
mit allen Mitteln zu fördern und vor feindlichen Umtrieben zu schützen.
25. April. über die Stellung der Reichsregierung zur Kriegs--
zielfrage veröffentlicht die „Nordd. Allg. Ztg." folgende halb-
amtliche Kundgebung:
An die Reichsleitung wird erneut von zwei Seiten die dringende Auf-
sorderung gerichtet, im Kampf der Meinungen über die Kriegsziele Stellung