Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Erster Teil. (59a)

80 Bentsches Reich. (Febr. 20.) 
aufs höchste gestiegen. Auch Blut ist schon geflossen. Das ergibt sich auch aus 
dem Manifest des Regentschaftsrates (s. Polen, 14. Febr.). Wir Polen lehnen 
diesen Friedensvertrag als einen Akt der Gewalt ab und hoffen, daß sich 
die übrigen Parteien uns anschließen. — Abg. Dove (Fortschr. Vp.): Der 
Aufforderung zur Ablehnung des Friedensvertrages können wir nicht nach- 
kommen. Wir haben die Interessen des deutschen Volkes zu vertreten und 
entsprechend zu handeln. Es heißt die Wahrheit auf den Kopf stellen, wenn 
man aus diesem Vertrag eine neue Teilung Polens herausliest. Wir be- 
grüßen den Friedensvertrag, namentlich vom wirtschaftlichen Standpunkt 
aus. Wir halten es aber nicht für richtig, daß ein Vertreter der Obersten 
Heeresleitung den Friedensvertrag mitunterzeichnet hat. Den Funkspruch 
beurteilen wir nicht so optimistisch wie Dr. David. Wir hoffen aber, daß 
wir nun auch zu einem Frieden mit Groß-Rußland kommen werden. — 
Abg. Dr. Stresemann (Natl.) bemängelt wie der Abg. Dove die Unter- 
zeichnung des Friedensvertrages durch einen Vertreter der Obersten Heeres- 
leitung. Doch sei es der Obersten Heeresleitung zu danken, daß wir über- 
haupt zu einem Friedensschluß gekommen sind. Der Friedensvertrag mit 
Rußland muß die Freilassung der deutschen Gefangenen in Estland und 
Finnland und die Anerkennung der Ukraine bringen. Redner wendet sich 
dann gegen die Polen. Was hätte man zu den Staatsmännern gesagt, 
wenn wegen des Cholmer Bezirkes die Verhandlungen gescheitert wären. 
Was haben die Polen dazu getan, um sich Sympathien bei uns zu sichern? 
Wir erkennen die Notwendigkeit, daß Oesterreich-Ungarn mit rumänischem 
Getreide und künftig mit nkrainischen Erzeugnissen bevorzugt wird. Da 
darf man aber in Wien die Dinge nicht auf den Kopf stellen. Mit einem 
deutschen Sieg werden wir zum Frieden mit der Welt gelangen. — Abg. 
Graf v. Westarp (Kons.): Der Friedensschluß ist Sache des Kaisers, nicht 
des Parlaments. Wir begrüßen den Friedensschluß mit der Ukraine lebhaft 
als die erste Insel im Meere des Weltkrieges. Namentlich im Hinblick auf 
Oesterreich-Ungarn und die Türkei ist der Friedensschluß zu begrüßen. Die 
Dardanellenfrage ist damit erledigt. Hinsichtlich der wirtschaftlichen und 
rechtlichen Seite des Vertrages ist gute und tüchtige Arbeit geleistet worden, 
der Vertrag kann im großen und ganzen als mustergültig bezeichnet werden. 
Es wäre besser gewesen, wenn von vornherein die deutschen Interessen auf 
Grund der durch das Schwert errungenen deutschen Machtstellung gewahrt 
worden wären. Das neue Friedensangebot bringt uns in eine überaus 
günstige Lage. Die Bolschewiki müssen anerkennen, daß die von uns besetzten 
Gebiete dauernd von Rußland losgelöst sind. Das Selbstbestimmungsrecht 
der Völker werden wir wahren. Inwieweit es sich aber um die deutschen 
Interessen und die militärische Sicherheit unserer Grenzen handelt, muß 
das Einverständnis von Hindenburg und Ludendorff sicher sein; sie mögen 
den deutschen Frieden unterschreiben. — Abg. Halem (D. Frakt.) begrüßt 
ebenfalls die vorgelegten Verträge mit Freude und bezeichnet den Peters- 
burger Funkspruch als eine Folge unseres energischen Vorgehens. Die Polen 
mögen sich voll zu den preußisch-deutschen Staatsnotwendigkeiten bekennen. 
— Abg. Ledebour (U. Soz.) bemerkt, daß mit der Ukraine nur ein Friede 
hätte geschlossen werden dürfen unter Zustimmung des übrigen Rußlands. 
Wenn Sie uns den Friedensschluß überließen, dann würden sich Ihre 
Kinder und Kindeskinder noch darüber freuen. Redner meint, daß den 
wirklichen Frieden nur das internationale Proletariat durch den Massenstreik 
bringen könnte. — Abg. Fürst v. Radziwill (Pole) verlangt, daß die 
Ausnahmegesetze gegen die Polen von der preuß. Regierung abgetragen 
werden. Auch die Polen hätten in diesem Kriege ihr Blut vergossen; sie 
hätten für Deutschland, aber auch für Polen gekämpft.
	        
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