270 Frankreiq. (Juli 30. — Aug. 1.)
erlangen. Die Tagesordnung verlangt sodann, daß die Sozialisten unter
keinem Vorwand politische Pläne begünstigen, die gegen die russ. Revolution
gerichtet sind. In keinem Falle dürfe eine Intervention gebilligt werden,
die nicht vorher von allen Gruppen des russ. Sozialismus angenommen sei.
Die Tagesordnung bedauert und verurteilt schließlich die Kriegskundgebung
der vierzig Abgeordneten vom rechten Flügel der Partei (s. S. 259 f.) und
betont die Notwendigkeit, die Disziplin und Einheit innerhalb der Partei
aufrecht zu erhalten. (Den vollständigen Wortlaut s. in der „Nordd. Allg.
Ztg.“ 1918 Nr. 393.)
Nach dem „Progres de Lyon“ (v. 22.) bestehen die franz. Sozialisten
zurzeit aus fünf Gruppen. Von rechts nach links: 1. die 41 Uebermehrheits-
leute um Varenne, Thomas und Compere- Morel, 2. die bisherige Mehrheit
unter Renaudel und Sembat, 3. die vermittelnde Gruppe Cachin, Lafont,
Moutet, 4. die bisherige Minderheit (Longuet. Pressemane, Goude, Mistral),
5. die Kienthaler und Zimmerwalder (Alexandre Blanc. Brizon, Raffin-Dugens).
30. Juli. (Kammer.) Verlängerung des Bankprivilegiums.
Die Kammer nimmt mit 231 gegen 72 Stimmen einen Gesetzentwurf
betr. die Verlängerung des Privilegs der Bank von Frankreich für
20 Jahre an. Die Regierung hatte 25 Jahre beantragt. Die Soz. haben
das Gesetz, um das monatelang in der Kammer verhandelt wurde, als eine
Unterstützung des Privatkapitalismus lebhaft bekämpft.
31. Juli—1. Aug. (Kammer.) Musterung der Jahresklasse 1920.
Auf der Tagesordnung steht der Gesetzentwurf betr. die Zählung und
Musterung der Jahresklasse 1920. Von den Soz. wird gegen die
Vorlage heftig opponiert und ihre Rückverweisung an die Gesundheits-
kommission der Kammer beantragt. Der Antrag wird jedoch mit 314 gegen
182 Stimmen abgelehnt. Hierauf beantragt Abg. Déguise (Soz.), daß der
Jahrgang nur eingestellt wird, wenn auch die Alliierten die gleichen Jahr-
gänge einstellen und die alten Jahrgänge den wiederholten Versprechungen
der Regierung gemäß entlassen werden. — Auch Abg. Renaudel (Soz.)
hält die vorzeitige Einberufung der Jahresklasse 1920 für keine gute Politik.
Andere Länder hätten zwar ebenfalls diese Jahresklasse eingereiht, aber
man müsse der Gesamtsumme der Opfer Frankreichs Rechnung tragen. —
Unterstaatssekretär Abrami erklärt, Frankreich sei in einen schrecklichen
Krieg verwickelt, der ihm aufgezwungen worden sei. Es handle sich darum,
diesen Krieg durch Vereinigung aller verfügbaren Kräfte des Verbandes
sobald als möglich siegreich zu beenden. Man müsse die Jahresklasse 1920
im Herbst einberufen. Die Regierung verpflichte sich, die Verwendung
dieser Jahresklasse unter genau festgesetzten Bedingungen zu überwachen
und nach Einberufung der Jahresklasse 1920 die Jahresklassen von 1888
und 1889 zu entlassen. Die Jahresklasse 1890 soll einen unbeschränkten
Urlaub erhalten, zusammen mit den Hilfsdienstpflichtigen der Jahresklasse
1891, die, soweit sie bewaffneten Dienst tun, hinter der Front verwandt
werden sollen. — Das Haus beschließt schließlich mit 287 gegen 277 Stimmen
Vertagung.
Am 1. Aug. setzt die Kammer die Erörterung fort. Da außerordentlich
viele Zusatzanträge eingebracht sind, die eine Abänderung des Gesetzes ver-
langen, erklärt Ministerpräsident Clemenceau, die Regierung sei der
Ansicht, das Höchstmaß von Zugeständnissen, die mit der Kriegsnotwendig-
keit in Einklang zu bringen seien, gemacht zu haben. Er gibt die Versicherung,
daß die jungen Rekruten so spät wie möglich an die Front geschickt werden
sollen, daß es aber in der gegenwärtigen Lage unmöglich sei, sich auf ein
Datum zu verpflichten. Es handle sich darum, für alle Fälle über kampf-