Full text: Die Kriegswirtschaft in Stopl 1914-1919.

In den ersten Monaten des Jahres 1918 wurde die Monatsmenge 
an Schlüsselwaren auf ½, vom April ab auf die Hälfte herabgeseht. Da- 
bei wurden u. a. 100 Ztr. sogenanntes Rübensauerkraut geliefert, das 
bei der Bevölkerung aber durchaus keinen Anklang fand. Der Magi- 
strat mußte schließlich zu dem Aushilfsmittel greifen, jedem Käufer von 
#¼ Pfd. dieses neuartigen Nahrungsmittels gleichzeitig 4 Pfd. Weizen- 
gries zu versprechen, aber auch dann blieben noch 35 Ztr. übrig, für die 
sich durchaus kein Liebhaber fand. Dafür mehrten sich aber die Stim- 
men der Unzufriedenheit in der Stadt, denen sogar die Zeitung für Hin- 
kerpommern ihre Spalten öffnete „aus Not gehen die Stadtleute aufs 
Land betteln .. weil wir artig sind, stehen wir schlechter als die Revo- 
lutionsschreier“. Der Magistrat konnte an dem bestehenden Mangel 
beim besten Willen nichts ändern, wurde aber von den Einwohnern doch 
für alles verantwortlich gemacht. Da wurden z. B. im Juli 1918 als 
Ausgleich für die Verkürzung der Brotration 45 dz Graupen geliefert. 
Da die Ware aber nicht direkt von der PM. kam, sondern aus „Neser- 
ven“ der Verwertungsstelle Berlin, mußte die Stadt die Kleinhandels- 
preise bezahlen, zu denen dann noch die üblichen 6 c% Provision der 
P., Sachkleihgebühr usw. hinzutraten. Allerdings sollte kein Kommu- 
nalverband gezwungen sein, die Ware abzunehmen, aber die überaus 
schlechte Ernährungslage ließ jede Kommunalverwaltung zugreifen, um 
nur etwas für die Bevölkerung aufzubringen. Da die Graupen zum 
Höchstpreis verkauft werden mußten, bedeutete das für Stolp eine Zu- 
zahlung von rund 1100 4 aus eigenen Mitteln, die troßz aller Einspruchs- 
versuche und Beschwerden geleistet werden mußte. 
Im Herbst 1918 verließ der Magistrat das bisherige WVerteilungs- 
sostem und führte „Zzur schärferen Kontrolle sämtlicher zur Ausgabe gelan- 
gender Nahrungsmittel“ besondere Nahrungsmittelkarten ein, die nume- 
rierte Abschnitte 1—50 enthielten; vor jeder WVerteilung sollte be- 
kannt gegeben werden, welche Rahrungsmittel auf die einzelnen Ab- 
schnitte ausgegeben werden würden. Dies neue Verfahren blieb bis 
zum Ende der Zwangswirtschaft in Gültigkeit. 
Damals — im Herbst 1918 — scheint in Stolp die zunehmende Ver- 
schlechterung der Ernährungslage, die eine Befriedigung auch des einfa- 
chen Hungers kaum noch gestattete, bei allen Teilen, Bevölkerung wie 
Behörden, zu einer peinlichen Reizbarkeit geführt zu haben, die das 
öffentliche Leben und das Arbeiten der Behörden immer mehr erschwerte. 
Hierfür nur zwei Beispiele: im Oktober 1918 erhielt der Magistrat einen 
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