Leider dauerte es noch recht lange, bis der Wagistrat von dieser
Aufgabe entbunden wurde, und sie wurde um so unerfreulicher, je mehr
die zunehmende Geldentwertung an kaufmännischen Fähigkeiten und
Kenntnissen erforderte. Wir können diese Dinge, die gegenüber der rei-
nen Kriegswirtschaft nichts grundsätzlich Neues bringen, hier nur andeu-
tungsweise erwähnen. Nnur einen Fall wollen wir herausgreifen, der die
Schwierigkeit der Aufgabe, Kaufmann zu sein ohne kaufmännische Kennk-
nisse, einigermaßen beleuchtet. Anfang Mai 1920 bestellte der Magistrat
bei der PN. eine Sendung Heringe für 94 265 44 und zahlte den Betrag
am 17. 5. Durch die um einige Tage verspätete Zahlung wurde die Ab-
sendung der Ware verzögert, und die Heringe kamen erst in den letzten
Tagen des Mai an. Inzwischen — während die Sendung rollte — mußte
der Magistrat mit peinlichem Erstaunen erfahren, daß ab 1. 6. die
Heringspreise erheblich gesenkt seien. Er versuchte schleunigst, den Kauf
noch rüchgängig zu machen, hatte aber damit kein Glück und mußte die
Ware abnehmen. Die Stolper Kaufleute weigerten sich natürlich, die
Heringe zum Maipreis abzunehmen, während die städtischen Körperschaf-
ten die Mittel zur Deckung des Preisunkerschieds nicht bewilligen woll-
ten. Schließlich mußten die Heringe für 63 390 A1 abgegeben werden.
Alle Bemühungen bei den zuständigen Behörden bis hinauf zum Peichs-
finan zminister erreichten aber nicht, daß die Stadt für ihren Verlust ent-
schädigt wurde. Das einzige Ergebnis des ganzen Schriftwechsels war
ein belehrender Brief der „Reichsfischversorgung": der Großhandel habe
damals rechtzeitig von der bevorstehenden Preisherabsetzung Mitteilung
erhalten; wenn dann sich trotzdem jemand noch im Mai mit Heringen
eindecken wollte, hätte er die Folgen selbst zu tragen.
Damit wollen wir die Betrachtung der Nahrungsmittelversorgung
abschließen.
Als Ergänzung ist es vielleicht zweckmäßig, einmal zusammenfassend
darzustellen, wieviel an Lebensmitteln überhaupt an den einzelnen Ein-
wohner gegeben wurde, weil man sich so am besten ein zutreffendes Bild
von der Ernährungslage im Kriege machen kann. Als Grundlage die-
nen die Wochenberichte, die der Magistrat vom 1. 4. 1917 an dem Prä-
sidenten des Kriegsernährungsamts einreichen mußte, wenn auch nach
einigen Feststellungen damit gerechnet werden muß, daß diese Meldungen
vielleicht nicht alle gelieferten Mahrungsmittel enthalten. Die Angaben
der Tabelle sind nur dahin zu ergänzen, daß monatlich je Kopf 750 gr
Zucker geliefert wurden. Nährmittelgaben, die nur für Kinder bestimmt
waren, sind fett gedruchkt.
116