Full text: Die Kriegswirtschaft in Stopl 1914-1919.

gend zu einer Vorratswirtschaft der Städte geraten. Daraufbin beschloß 
die Lebensmittelkkommission, das Publikum zur Beschaffung von Fleisch- 
dauerwaren anzuhalten, daneben aber selbst geräucherten Speck einzu- 
kaufen, der der Versorgung der bedürftigen Bevölkerung dienen sollte. 
Als bedürftig wurden 15 000 Menschen angesehen, deren Bedarf je Kopf 
und Tag auf 0,10 41, also für 3 Monate auf 135 000 4“ angenommen 
wurde; von dieser Summe erschien zunächst ein Viertel als ausreichend, 
sodaß der Magistrat beschloß, zunächst 30 O00 414 anzulegen. Um dabei 
in erster Linie die heimischen Fleischer zu berücksichtigen, wurde ein An- 
gebot der Stolper Fleischerinnung eingeholt. Obwohl deren Mitglieder 
von jeher einen umfangreichen Ausfuhrhandel mit Fleischdauerwaren 
getrieben hatten, ergab eine Umfrage, daß sie alle zusammen bis 15. 3. 
1915 nur ganze 37,2 Ztr. Speck liefern könnten. Bei dieser immerhin 
befremdlichen Sachlage war der Magistrat gezwungen, den Speck aus- 
wärts zu bestellen, und er erhielt auch ohne Schwierigkeiten rund 500 
Ztr. Speck, die in der Mittelschule eingelagert wurden. Inzwischen hatte 
der Städtetag seine Ansicht, daß eine Fleischknappheit drohe, offenbar 
einer Nachprüfung unterzogen: entsprechend der vom Minister ausgege- 
benen Parole, daß zuviel Schweine vorhanden seien, gab er der Meinung 
Ausdruck, daß das Hauptziel darin liege, möglichst bald möglichst viel 
Schweine zu beseitigen. Fast gleichzeitig erging eine Verfügung des 
Regierungspräsidenten, daß Stolp den Betrag von 15 4 je Kopf der 
Bevölkerung zur Beschaffung von Speck und Fleisch als das Mindeste 
ansehen müsse, was später festgesetht werden würde.') Damik begann 
für die maßgebenden Stellen der Stadtverwaltung eine ungeheure 
Arbeit. Es mußte zunächst ein Kredit über rund 600 000 4 bewilligt 
werden, über dessen Dechung man sich nicht recht klar war. Sodann 
waren Vorbereitungen zu treffen, um den zu erwartenden Ansturm von 
Schweinen sachgemäß zu verarbeiten und dabei doch so wirtschaftlich wie 
möglich zu verfahren. Hierzu bedurfte es endloser Verhandlungen mit 
der Fleischerinnung, um festzustellen, wieviel Schweine man kaufen 
könne, wenn die Herstellungskosten des Pötkelfleischs zum Einkaufspreis 
zugerechnet würden, wieviel der herzustellende Speck kosten würde, welche 
Verkaufszuschläge den Fleischern zuzubilligen sein würden, und das 
Ergebnis war am 17. 2. 15 ein eingehender Vertrag mit der Fleischer- 
*) JB. In Neustettin legten als Zeichen des Protestes gegen diese Anord- 
nung sämtliche Stadträte ihr Amt nieder! 
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