bar. Wir halten es nicht nur für unser gutes Recht, sondern auch für
unsere Pflicht, uns gerade über derartige Notzeiten unseres Volkes in
allen Einzelheiten klar zu werden, damit wir aus ihnen lernen und in
Zukunft die Fehler vermeiden können, die früher in so reichem Maße
begangen worden sind. Dabei gehen wir von der Ueberzeugung aus,
daß der alte Spruch, die Geschichte sei nur dazu da, uns zu beweisen,
daß wir nichts aus ihr lernen, einen hoffnungslosen Pessimismus ver-
rät, der überwunden werden muß, wenn anders wir überhaupt zu einer
fruchtbaren Welt- und Wirtschaftsauffassung kommen wollen.
Ernster zu nehmen wäre ein anderer, ebenso beliebter Einwand, daß
die Zeit noch nicht reif sei für derarktige Arbeiten, da man, um den
Standpunkt völliger Objektivität einnehmen zu können, erst einen viel
größeren zeitlichen Abstand von den Dingen haben müsse, über die
geschrieben werden soll. Das mag da richtig sein, wo eine Bearbeitung
von der Beibringung aller vorhandenen Akten auch aus versteckten
Quellen abhängig ist. In unserem Falle, wo eher die Gefahr besteht,
daß die Akten als entbehrlich und bedeutungslos beseitigt werden, liegen
die Dinge anders. Außerdem: wenn man, um den höchsten Grad der
Objektivität zu erreichen, solche Arbeiten von jemandem schreiben läßt,
der die fraglichen Zeiten nicht mehr miterlebt hat, steht er wieder vor
der Schwierigkeit aller eigentlichen Geschichtsschreibung, daß er in
Akten und Urkunden gewissermaßen nur das Knochengerüst der Ereig-
nisse vor sich hat und dann entweder keine Geschichte, sondern nur eine
Chronik geben kann oder gezwungen ist, um seiner Darstellung Blut
und Leben zu verleihen, ihr seinen Geist einzuflößen, der durchaus nicht
immer den Geist der Zeiten trifft und dann vielleicht im besten Glauben
der Aachwelt eine grundfalsche Auffassung der von ihm gemeinten
Dinge überliefert. Wir glauben deshalb, daß Arbeiten dieser Art gerade
dem Zeitgenossen vorbehalten sein sollten, der noch aus eigener An-
schauung über die Dinge berichtet, wie wir übrigens auch der Meinung
sind, daß zu solchen überwiegend beschreibenden Darstellungen der Laie
nicht weniger berufen ist als der volkswirtschaftliche Fachgelehrte, der
vielleicht mit geringerer Objektivität an die Dinge herangeht als der
durch wissenschaftliche Theorien Unbeschwerte.
Das Wort „Kriegswirtschaft“ bedarf noch einer Erläuterung. Wir
verstehen darunker nicht die Wirtschaft schlechthin, soweit sie irgendwie
durch den Krieg beeinflußt wurde, sondern wir möchten für unsere
Zwecke das Wort beschränkt wissen auf alle die Fragen, die den Ver-
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