Die neue Magistratsverordnung rief begreiflicherweise erhebliche
Unruhe in der Bevölkerung hervor. Vor allem die Bestimmung über die
Milchlieferung an Kranke wurde stark ausgenutzt und verursachte den
maßgebenden Stellen eine ungeahnke Arbeit. Man hakte allgemein mit
einem Krankenstand von 2 %% der Bevölkerung gerechnet, d. h. mit rund
600 Kranken, die natürlich nur zum Teil auf Milchlieferung angewiesen
sein würden, aber bereits nach 4 Wochen lagen 875 Zeugnisse von Aerz-
ten vor, in denen die Notwendigkeit von Milchlieferung behauptet
wurde. Sämtliche Zeugnisse mußten vom Kreisarzt geprüft werden, der
sich sogar die Kranken gelegentlich zur persönlichen Untersuchung bestellte.
Gewiß war es notwendig, daß bierbei der Kreisarzt mit aller Strenge
durchgriff, doch können wir uns heute seiner Ansicht nicht immer an-
schließen. 3. B. lehnte er die Milchgewährung bei schwerer Tuberkulose
oder bei Magengeschwüren ab mit dem Hinweis, daß der Nährwert der
Milch vielfach überschätzt werde und daß der Kaloriengehalt von Fleisch
und Fett höher sei als der der Milch. Seine Ansichten scheinen sich
aber nicht durchgesetzt zu haben, denn schon nach wenigen Monaten sehen
wir die Prüfung der Milchzeugnisse in den Händen einer Aerzlekom-
mission.
Damit hier auch der Humor nicht fehle: schon am 2. 11. 16 bean-
tragte das Proviantamt in Stolp, für die in seinem Betriebe beschäftig-
ten beiden Katzen je eine Milchkarte über 1 1 Magermilch auszustellen!
Leider konnte der Magistrat aus grundsätzlichen Erwägungen den Antrag
nicht bewilligen.
Auch der andere Teil ließ sich sehr bald vernehmen. Der Milchwa-
gen von Schmaag stellte seinen Betrieb ein, weil die Bauern teils gar
keine Milch mehr lieferten, keils viel weniger als früher. Ob die Mol-
kerei gleichfalls weniger Milch erhalten hat als vor dem 1. 11., läßt sich
nicht feststellen. Tatsächlich erwies sich aber, daß die eingehenden Milch-
mengen nicht ausreichten, um den nach der neuen Verordnung vorhande-
nen Bedarf zu decken. Bereits am 9. 11. mußte angeordnet werden,
daß Haushaltungen, denen mehr als 3 4 1 Voll- und Magermilch zu-
sland, um 4 1 gekürzt werden sollten. Auch das war noch nicht genug,
und schon am 10. 11. mußte die Kürzungsbestimmung verschärft werden.
Es sollken nun Haushaltungen von 24—34 I1 K, solche von mehr als
34 1 1 weniger erhalten, als ihnen eigentlich zustand.
arallel mit der Verringerung der Zufuhren ging ein lebhafter
Kampf um die Erhöhung der Preise. Der Magistrat hatte am 28. 11. 16
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