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begründet. So sehen ein besonderes Verfahren vor die Ver-
fassungen von Sachsen (V. U. 88 141ff.), Oldenburg (V. U.
aa. 200 ff), Braunschweig (V. aa. 108ff.), Reuss a. L. (V.
88 89, 91), Reuss j. L. (V. 88 110ff.), Schaumburg - Lippe
(V. aa. 43,46). Es ist darin v. Martitz zuzustimmen, dass es
sich bei Streitigkeiten dieser Art „zunächst immer nur um
die Vollziehung der unbestrittenen Verfassung handelt.“ 29) Von
einer Verfassungsstreitigkeit kann man hier schon um deswillen
nicht reden, weil als Streitteile ja einander nicht Regierung und
Volksvertretung gegenüberstehen; denn die Regierung kann man
nicht mit dem der Verfassungsverletzung schuldigen Beamten
identifizieren, auch wenn dieser der Minister ist.
Nach dieser Darlegung erübrigt es sich, auf die Aus-
führungen Bornhaks:24) „es liege keine Veranlassung vor,
den Begriff der Verfassungsstreitigkeit auf einen Konflikt
zwischen Regierung und Volksvertretung zu beschränken®,
oder „eine Verfassungsstreitigkeit liege nur vor bei einem
Rechtsstreit über das in einem bestimmten Falle zur An-
wendung kommende Verfassungsrecht“ einzugehen. Diese
Behauptungen, die von vornherein als richtig anzuerkennen
„absolut keine Veranlassung vorliegt“, finden in allen Punklen
ihre Widerlegung in den vorstehenden Ausführungen.
Nach ihnen ist, um das Wesentliche mit kurzen Worten
auszudrücken, eine Verfassungsstreitigkeit ein Streit zwischen
Regierung und Volksvertretung über die Auslegung, Aus-
führung oder die Rechtmässigkeit der Verfassung.
Zur Entscheidung dieser Streitigkeiten ist, wenn sie „in
einem Bundesstaate bestehen, der Bundesrat unter den im
Artikel 76 Abs. 2 genannten Voraussetzungen zuständig.
Zweifelhaft kann erscheinen, ob der Bundesrat zum Ein-
greifen berechtigt ist hinsichtlich eines Streites, der noch
nicht schwebt, aber mit Bestimmtheit zu erwarten steht. Natür-
lich kann eine endgültige Entscheidung stets nur erfolgen,
wenn die Streitigkeit tatsächlich vorhanden ist. Mit Recht hat
deshalb im Lippeschen Thronfolgestreit der Bundesrat unterm
28) y. Martitz, Betrachtungen S. 30.
24) Bornhak, Thronfolge im Fürstentum Lippe $. 63