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selbst zu entscheiden, in Abrede. v. Rönne sagt: „Die Ab-
sicht der in Rede stehenden Bestimmung der Reichsverfassung
sei nicht dahin gerichtet gewesen, die Entscheidung durch
den Bundesrat selbst eintreten zu lassen, sondern vielmehr
dem Bundesrate nur die Bestimmung darüber zu übertragen,
in welcher Art die Erledigung der Streitigkeit durch eine
zu diesem Zwecke anzuordnende Austrägalinstanz herbeizu-
führen sei. Die Begründung für diese Ansicht nimmt
v. Rönne, wie seine Gesinnungsgenossen, aus den Erklärungen,
welche bei der Beratung des fraglichen Artikels der Reichs-
verfassung im konstituierenden Reichstage von 1867 gefallen
sind. v. Rönne stützt sich besonders auf die Worte des
preussischen Bundeskommissars v. Savigny in der Sitzung
vom 9. April 1867, sowie auf die Aeusserungen der Bevoll-
mächtigten Hessens und Hamburgs in derselben Sitzung.
Abgesehen davon, dass diese Erklärungen des Bundes-
kommissars, wie auch der Bevollmächtigten im verfassungs-
beratenden Reichstage nicht als authentische Interpretation der
Verfassungsbestimmungen, bei deren Beratung sie abgegeben
sind, gelten können, — es wird hier auf das oben über
diesen Punkt Gesagte verwiesen — lässt sich auch ins-
besondere aus den Worten Savignys mit Bestinımtheit nicht
schliessen, dass Savigny die von v. Rönne vertretene Auf-
fassung habe zum Ausdruck bringen wollen.
Savigny sagte damals:®2) „Unter dem Worte «erledigen»
ist nur im allgemeinen angedeutet worden, dass der Bundesrat
seinerseits bestrebt sein wird, falls es ihm nicht gelingt, inner-
halb seines Schosses — ich möchte sagen im Familienrate —
eine solche Sache zu befriedigender Lösung zu bringen, die-
jenigen Rechtswege selbst zu bezeichnen, auf denen die Sache
selbst zum Austrag kommen kann. Vorzugsweise ist dabei
auch der Fall einer Verweisung auf Austrägalinstanz voraus-
gesehen. Das verstehen wir unter «Erledigung».“
v. Seydel meint nun, diese Erledigung schliesse den Ge-
danken an eine eigene Entscheidung des Bundesrates aus,
8) Bezold, Materialien II S. 584.