VI. Schmalz und sein Rother Adlerorden.
Zu Bd. II. S. 117.
Eine Schmähschrift, welche Prof. H. Baumgarten in Straßburg unter dem Titel
„Treitschke's Deutsche Geschichte“ veröffentlicht hat, enthält in einem Wuste ganz allge-
mein gehaltener Beschimpfungen und Verdächtigungen, deren Würdigung ich Anderen
überlasse, auch einige vereinzelte Versuche thatsächlicher Widerlegung. Unter diesen Be-
richtigungen ist keine, die mich veranlassen kann, ein Wort in meinem Buche zu ändern,
obwohl ich gern bereit bin, selbst von einem schmähenden Gegner zu lernen.
Baumgarten beschuldigt mich der unterthäuigen Schmeichelei gegen König Friedrich
Wilhelm III. (das ist doch wohl der langen Rede kurzer Sinn?), weil ich über den welt-
berühmten Rothen Adlerorden, welcher im Jahre 1815 dem Professor Schmalz verliehen
wurde, nichts Stärkeres gesagt habe als die nachstehenden Worte: „Nun verstummte der
Lärm; aber Jedermann fühlte, daß die arge Saat des Anklägers, der eben jetzt durch
einen preußischen und einen württembergischen Orden ausgezeichnet wurde, doch nicht auf
ganz unfruchtbaren Boden gefallen war.“ Es fällt mir schwer, ernsthaft zu bleiben bei
einem Vorwurfe, der so deutlich zeigt, daß Baumgarten sich mit dieser Epoche nur bei-
läufig beschäftigt hat. Jeder über diese preußischen Dinge näher unterrichtete Historiker
muß sogleich bemerken, daß meine Worte das Ergebniß einer langen und langweiligen
Untersuchung sind. Ich habe mich absichtlich mit einiger Zurückhaltung ausgesprochen,
nicht bloß weil ich meine, daß ein Historiker, der nicht auf das Niveau Vehsischer Skandal-
geschichten herabsinken will, bei einem Rothen Adlerorden dritter Classe nicht allzu lange
verweilen darf, sondern auch, weil ich hier auf ein kritisches Bedenken stieß, das dem
Scharfsinne Baumgarten's ganz entgangen ist.
Jener Rothe Adlerorden darf doch nur dann irgend welche historische Bedeutung
beanspruchen, wenn Schmalz ihn wirklich zur Belohnung für seine Denunciation erhalten
hat. Ist dies erwiesen? Baumgarten freilich nimmt es ohne Weiteres an; ihm schenkte
die Natur das glückliche Talent, die historischen Dinge a priori zu erkennen. Da ich
mich einer solchen Begabung nicht rühmen kann, so suchte ich nach Beweisen und fand
als feststehend nur die Thatsache, daß Schmalz zu der Zeit, da der literarische Streit
über seine Schrift noch schwebte, einen preußischen und einen württembergischen Orden
erhalten hat. Alles Weitere ist Klatscherei aus Briefen und Zeitungen. Nun darf man
wohl ohne Leichtfertigkeit behaupten, daß der württembergische Orden den Denuncianten
für die Schrift, welche er dem Schwabenkönig gesendet, belohnen sollte; denn Schmalz
hat sich früherhin, so viel man weiß, niemals ein Verdienst um den Stuttgarter Hof
erworben, und der bonapartistischen Gesinnung des Königs Friedrich konnte ein Libell,
das wider die angeblichen Geheimbünde der Borussomanen zu Felde zog, nur Freude
bereiten. Gewiß war es nur menschlich, daß die aufgeregte öffentliche Meinung kurzerhand
versicherte, auch der preußische Orden sei eine Belohnung für die Denunciation. Aber
darf der Historiker heute alle die häßlichen Gerüchte einer tief verstimmten Zeit unbesehen
hinnehmen?