Full text: Hindenburg, Erzberger, Kapp

„Ich finde keine Schuld an ihm!“ würde selbst ein briti- 
scher Landpfleger, zum Richter über Bethmann bestellt, sagen. 
Und hinterdrein vielleicht leise lächeln. .. . 
Dieser Kangler des Deutschen Reiches hat sogusagen vom 
ersten Tage des Krieges an nicht an den Sieg, sondern an den 
Frieden gedacht, wobei ihm nur „durchaus maßvolle“ deutsche 
Bedingungen vorschwebten, wie er selber bekennt. Also ein 
Mann ganz nach dem Herzen des Professors Schüching und 
der anderen demokratischen Pazifisten. In der rauhen Welt 
von beute finden sich weder der Kanzler noch der Professor 
zurecht. Dieser lebt noch immer in dem Wolbenkuckucksheim 
seines Großvaters, des Romandichters Levin Schücking, der 
„alten Feudalismus“ bekämpfte und „echtes Menschentum“ 
förderte, von Emanzipation und Selbstbestimmungsrecht und 
Seelenfrieden schwärmte und sich derweil, in Träume und 
Schäume vergraben, die geliebte Frau von einem anderen 
wegheiraten ließ. Und nun dieser Professor der Rechte Walter 
Schücking: ganz der Großpapal Er bekommt es heute noch 
fertig, an das geläuterte Menschentum innerhalb eines Völker- 
bundes zu glauben und mit einem Räuspern der Mißbilligung 
Bethmanns mangelnde Erfolge auf diesem Gebiete zu streifen. 
Auch der Demokrat Gothein ist durchaus Schückings wert. 
Aber um gange Sternweiten in Weltfremdheit werden beide 
von dem sozialdemokratischen Minister David geschlagen, der 
dem chemaligen Kanzler vorhält, er hätte vor allem für 
Amerikas Neutralbleiben sorgen müssen, dann wäre Wilson 
bei der ganzen Friedensaktion — unser Verbündeter gewesen! 
Es ist, als ginge die Sonne auf über einer trübseligen Well: 
sogar über Bethmanns Gesicht huscht ein Lächeln, die Sach- 
verständigen halten sich die Hand vor den Mund, am Nichter- 
tisch und im Publikum prustet man los. Es ist das erstemal, 
daß befreiendes Lachen diese „ernsten“ Verhandlungen unter- 
bricht. Sie sind grausam subaltern. Wenn die Pförtnerfrau 
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