fullscreen: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebenter Jahrgang. 1891. (32)

58 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 12.) 
außerhalb Bayerns lebenden Staatsangehörigen anläßlich Meines 70. Geburts- 
festes zu teil wurden. Alle Stände und Klassen verbanden sich zu einer 
Jubelfeier, die in der Geschichte des Landes unübertroffen dasteht. 
Dauernd werden Stiftungen, welche größtenteils zur Linderung von 
Not und zur Abwendung wirtschaftlicher Gefahren errichtet sind, die Er- 
innerung an den heutigen Tag aufrecht erhalten. Die warm empfundenen 
und schön ausgestatteten Adressen, die Mir von nah und fern überreicht 
wurden, die Gaben der Wissenschaft, der Kunst und des Kunstgewerbes, 
die Ich empfing, sollen in Meinem Hause allezeit als ein wertvoller Schatz 
aufbewahrt bleiben. 
Aber nicht der äußere Prunk, nicht die Größe und Fülle der Ver- 
anstaltungen, sondern die Aufrichtigkeit und Innigkeit, die aus jedem Auge 
leuchtete, die jedem in Wort und That Mir dargebrachten Glückwunsche 
innewohnte, gab der Feier ihre charakteristische Weihe. 
Ich danke Meiner lieben Stadt München, den Kreis-, Distrikts-, 
Stadt= und Landgemeinden, den Universitäten, den Künstlergenossenschaften, 
allen sonstigen Korporationen und Vereinigungen, jedem einzelnen, der in 
alter Bayerntreue Meiner liebend gedachte. 
Mögen diese echt patriotischen Gesinnungen auch in den Herzen der 
heranwachsenden Ingend tiefe Wurzeln schlagen, auf daß die Söhne und 
Enkel bis zu den fernsten Geschlechtern der Bäter würdig sind und gleich 
diesen, festgeschart um den Thron, für die teuersten Güter der Nation stets 
unentwegt eintreten! 
Solange nach Gottes gnädigem Ratschlusse Mein Leben währt, ist 
Bayerns Wohl das Ziel all' Meines Handelns. Hiebei die Verfassung, 
das Palladium des inneren Friedens, unverbrüchlich zu wahren, ist Mir 
heiligste Pflicht. Dem vielgeliebten Vaterlande gelten von Jugend auf und 
immerbar Meine heißesten Wünsche. Gott segne und schirme Bayern fort 
und fort! 
          München, den 12. März 1891. 
                                                                                    Luitpold, 
                                                                      Prinz-Regent von Bayern. 
            Der Thronfolger Prinz Ludwig hält an dem Tage bei 
dem Festmahl im Rathaus folgende Rede: 
„Das Fest der 70jährigen Wiederkehr des Geburtsfestes meines hohen 
Herrn Vaters ist ein seltenes Fest. Als Regent des eigentlichen Bayern ist 
das in der 700jährigen Geschichte des Hauses Wittelsbach der dritte Fall. 
Das ganze Land hat nicht nur hier, sondern in jeder Stadt, ich möchte 
sagen, in jedem Dorf, an diesem Feste teilgenommen und hat dies auch 
dadurch bewiesen, daß von überall her die Spitzen der Ortschaften, der Ge- 
meinden, der verschiedenen Kreise, Vereine 2c. hieher gekommen sind, um an 
einem Huldigungszug, wie er heute vor uns aller Augen und zu unser aller 
Freude stattgefunden hat, sich zu beteiligen. Ich weiß zwar, und mein 
Vater weiß es ebensogut wie ich, daß in Bayern es nicht notwendig ist, 
daß große Festzüge stattfinden, um zu beweisen, wie fest die Anhänglichkeit 
des Volkes zu seinem Herrscherhause und des Herrscherhauses zu seinem 
Volke ist. Nichtsdestoweniger ist Er hocherfreut gewesen über alle die Gaben 
und Stiftungen zu edlen und guten Zwecken, wie sie anläßlich dieses Tages 
gemacht worden sind. Der verehrte Herr Bürgermeister von München hat 
das Hoch auf Se. k. Hoh. den Prinz-Regenten ausgebracht und erwähnt, 
daß Er in hoch vorgerücktem Alter, in schwierigen Zeiten die Zügel der 
Regierung ergriffen hat, er hat erwähnt alles das, was Er in dieser Zeit 
geschaffen hat. Ich möchte vor allem hervorheben, daß mein Vater bestrebt
	        
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