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wußte den Kaplan des Abtes, Thiemo von Colditz, zu gewinnen, daß
ihm dieser die betreffende Urkunde auslieferte; ihm nämlich hatte der
Abt den Schlüssel zu der Kiste anvertraut, in der das wichtige Per-
gament aufbewahrt lag. Ohne viel Besinnen warf der Bischof die
Urkunde in die Flammen. Mit Hilfe desselben Thiemo, dem der nach
Ron gereiste Abt die Verwaltung des Klosters Überlassen hatte, wurden
zwei Wagenladungen von allerhand Wertgegenständen des Klosters
nach Merseburg gefahren, die jedoch der Bischof später wieder heraus-
geben mußte. Der Streit währte ohne Entscheidung bis zum Tode
des Bischofs Eberhard. Jener Thiemo aber, der seiner Verräterei
wegen vom Abte aus seiner Stellung entfernt worden war, ließ durch
seinen Bruder Heinrich den Abt gefangen nehmen und drei Tage lang
abscheulich behandeln, ohne daß der Abt zur Wiedereinsetzung des
Treulosen bewogen werden konnte. Dies war jedoch nicht das einzige
räudige Schaf in Siegfrieds Herde. Es hatte sich eine ganze Ver-
schwörung gebildet; deren Teilnehmer nahmen alle Lebensmittel des
Klosters mit sich und verschanzten sich in einem nicht weit vom Kloster
gelegenen Hause. Daraufhin rief der Abt den Vogt des Klosters,
Friedrich von Groitzsch, zu Hilfe und dieser vertrieb die aufrührerischen
Mönche, die sogar bewaffnete Mannschaft gedungen hatten. Diese
aber bestand meist aus Leuten Friedrichs und sie verließen auf dessen
Geheiß das feste Haus. Abgesehen von diesen hat Abt Siegfrich
sechsundzwanzig seiner Mönche wegen verschiedener Ursachen aus dem
Kloster stoßen müssen. Der Haß gegen ihn bewies sich in mehreren
Vergiftungsversuchen, deren einem er fast erlegen wäre. Sein Bruder
aber, Heinrich von Rekkin, und sechs andere, die von der gleichen
Speise genossen hatten, starben. — Ahnliche Vorgänge werden von dem
Kloster Zschillen (Wechselburg) berichtet. Die dortigen Mönche, die
der Reform sehr bedürftig waren, sträubten sich nicht nur gegen eine
solche mit Hand und Fuß, sondern begingen auch gegen Abt und Prior
Gewaltthätigkeiten. Infolgedessen überwies der Bischof von Meißen
1289 das Kloster den Deutschherren.
Es ist schon früher bei Gelegenheit des Auftretens Konrads von Mar-
burg von den neuen Sektenbildungen die Rede gewesen und von den Ketzer-
verfolgungen, die als ein ganz untrüglicher Beweis für die sich mindernde
Anziehungskraft der Kirche anzusehen sind. Hierzu gehören die Flagel-