Full text: Das Erzgebirge in Vorzeit, Vergangenheit und Gegenwart.

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besucht werden. Die Schule für Färber und Seifensieder ist nur 
während des Winterhalbjahres geöffnet. 
Der Productionsvortheil der Chemnitzer Industrie besteht in 
erster Linie im Vorhandensein einer zahlreichen geschulten, intelligenten, 
fleißigen und verhältnißmäßig billigen Arbeiterbevölkerung im mitt- 
leren Theile des Erzgebirges). 
Von dieser hat sich im Laufe der letzten 50 Jahre ein Theil 
in die Stadt gezogen, während ein anderer großer Theil auf dem 
Lande zurückgeblieben, als Producent wie als Consument mit Chem- 
nitz in inniger Verbindung steht. 
Seine industrielle Stellung und seinen Weltruf verdankt Chem- 
nitz besonders dem Umstande, daß es der Mittelpunkt der sächsischen 
Wirkwaaren-Industrie ist, die soweit sie für den Weltmarkt arbeitet, 
1882 rund 38.000 Arbeiter beschäftigte. In der Stadt selbst hatten 
die 40 bedeutenderen Fabriken Ende vorigen Jahres rund 5500 
Arbeiter; der in den letzten 4 Jahren eingetretene Zuwachs von ca. 
1000 Arbeitern fällt zu einem großen Theile auf die Tricotagen- 
fabriken. Der Productionswerth der Wirkwaaren-Industrie einschließ- 
lich des Materiales ist nach den zuverlässigsten Ermittelungen von 
7⅛ Millionen Mark im Jahre 1851 auf 45 Mill. Mark 1879 
und mindestens 70 Mill. Mark im letzten Jahre gestiegen. Nach den 
Vereinigten Staaten allein versendet Chemnitz mehr baumwollene 
Wirkwaaren, als England nach allen Theilen der Erde. Die größte 
Gefahr, welche Chemnitz bedroht, ist der Umstand, daß in den Ver- 
einigten Staaten selbst die Wirkwaaren-Industrie sich immer mehr 
entwickelt. Doch wird die sächsische Industrie voraussichtlich die Ober- 
hand behalten auf denjenigen Gebieten, auf denen der Productions- 
vortheil der verhältnißmäßig billigen, geschickten Arbeit den Aus- 
schlag giebt. 
In der Weberei der Stadt hat die Herstellung von Möbelstoffen 
fast ausschließliche Bedeutung. In Folge Verdrängung der Hand- 
weberei hat die Zahl der in der Weberei überhaupt beschäftigten 
Personen seit 40 Jahren eher ab= als zugenommen; die wirthschaft- 
liche Lage der Arbeiter hat sich jedoch bedeutend gebessert. Der Pro- 
ductionswerth der in Chemnitz und für Chemnitzer Rechnung in der 
Umgegend gefertigten Möbelstoffe ist auf etwa 20 Mill. Mark zu 
veranschlagen; dieselben finden ihren Absatz überwiegend im Inland, 
zu einem sehr großen Theil aber auch in den allerverschiedensten 
Theilen der Erde. Hervorzuheben ist der günstige Einfluß, welchen 
*) Vortrag von Prof. Dietzmann im Sächs Ingenieur= und Architekten- 
Verein, am 14. Juli 1889.
	        
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